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Sternengeschichten Folge 681: MESSENGER und die erste Umrundung des Merkur

Shownotes

Sternengeschichten Folge 681: MESSENGER und die erste Umrundung des Merkur

Der Merkur ist der sonnennächste Planet unseres Sonnensystems. Man kann ihn mit freiem Auge sehen, aber es ist nicht immer leicht, ihn zu beobachten, eben weil er der sonnennächste Planet ist. Das bedeutet - wenig überraschend - dass er am Himmel immer irgendwo in der Nähe der Sonne sein muss. In der Nacht ist er also nicht da, man kann ihn nur in der kurzen Zeit sehen, in der die Sonne schon untergegangen ist, der Merkur aber noch über dem Horizont steht. Oder andersherum, kurz bevor die Sonne aufgeht, in der Morgendämmerung.

Mit ein bisschen Glück ist es aber gar nicht so schwer, den Merkur zu sehen. Deutlich schwerer ist es, ihn vor Ort zu erforschen. Gut, es ist immer schwer, irgendeinen Planeten zu erforschen. Es ist nicht einfach, zum Mars zu fliegen und dort Raumsonden zu landen; genau so schwierig ist es bei der Venus, und so weiter. Aber beim Merkur ist es noch einmal extra schwierig. Einerseits ist jede Raumsonde, die zu ihm fliegt, zwangsläufig sehr nahe an der Sonne. Dort ist die Temperatur sehr hoch; dort ist auch die Teilchenstrahlung die von der Sonne kommt sehr stark. Die Chance auf technische Probleme ist groß, wenn man zum Merkur fliegt und jede Raumsonde muss besonders robust und aufwendig gebaut werden. Andererseits ist so nahe an der Sonne natürlich auch ihre Gravitationskraft besonders stark. Je näher eine Raumsonde der Sonne kommt, desto stärker ist die Anziehungskraft und desto schneller wird sie. Und desto stärker muss man sie abbremsen, wenn man nicht einfach nur vorbeirauschen, sondern in eine Umlaufbahn einschwenken will. Bremsen braucht Treibstoff und je mehr Treibstoff man mitnehmen muss, desto komplexer und teurer wird eine Mission.

Es ist also kein Wunder, dass der Merkur das erste und für lange Zeit das letzte Mal am 29. März 1974 erreicht worden ist. Damals ist die amerikanische Raumsonde Mariner 10 in einem Abstand von 705 Kilometer an ihm vorbeigeflogen. Bremsen konnte man aber - wie ich gerade gesagt habe - nicht. Mariner 10 ist dann am 21. September 1974 und am 16. März 1975 nochmal vorbeigeflogen. Einmal sehr weit entfernt, in 50.000 Kilometer Abstand und einmal mit nur 375 Kilometern Distanz. Diese Vorbeiflüge haben immerhin gereicht, um 45 Prozent seiner Oberfläche zu kartografieren. Aber eigentlich ist das ja kein Zustand. Das war nicht mal die Hälfte der Oberfläche! Ein Planet wie Merkur hat es verdient, dass wir ihn uns ausführlich ansehen. Wenn es nur nicht so schwierig wäre…

Erst in den 1990er Jahren hat man sich wieder daran gemacht, einen Besuch bei Merkur zu planen. Ein entsprechender Entwurf wurde 1997 noch von der NASA abgelehnt, aber 1999 dann doch noch bewilligt. MESSENGER sollte das erledigen, was Mariner 10 nicht erledigen konnte: Nicht nur zum Merkur fliegen, sonder ihn auch umkreisen und im Detail studieren. Und MESSENGER ist nicht nur das englische Wort für "Botschafter", sondern natürlich auch ein Akronym für "MErcury Surface, Space ENvironment, GEochemistry and Ranging" was auf deutsch so viel heißt wie „Merkur-Oberflächen-, Umwelt-, Geochemie- und Entfernungsmessung“. Die Sonde war klein, nur 1,3 mal 1,4 mal 1,9 Meter groß. Aber sie hatte auch einen 2,5 mal 2 Meter breiten Schutzschild, um sie vor den Gefahren der nahen Sonne zu schützen. Beim Start hatte die Sonde ein Gewicht von 1093 Kilogramm. Davon waren aber nur 485 Kilogramm die Masse der Sonde selbst; der Rest war Treibstoff und der hätte nicht mal ausgreicht, um sie ausreichend zu bremsen.

Um die nötige Geschwindigkeit zu verlieren, um in eine Merkur-Umlaufbahn zu gelangen, musste man außerdem auch noch die Gravitation von Venus und Erde zum Bremsen nutzen. Der Start war eigentlich für März 2004 geplant, musste dann aber auf Mai 2004 verschoben werden. Da hat es auch nicht geklappt und am 2. August 2004 war das Wetter zu schlecht. Aber am 3. August 2004 hat es dann geklappt. MESSENGER hob mit einer Delta-II-Rakete von Cape Canaveral ab. Ein Jahr später gab es ein Swing-By an der Erde, noch ein Jahr später, im Oktober 2006 ein Swing-By-Manöver bei der Venus. 2007 kam Swing-By Nummer 2 bei der Venus und zwischen 2008 und 2009 ganze drei Swing-By-Manöver am Merkur selbst. Am 18. März 2011 war es dann soweit: Die Sonde hat 15 Minuten lang gebremst, was wirklich lang ist, und ist dabei um fast 3100 km/h langsamer geworden. Zusammen mit dem Geschwindigkeitsverlust durch die ganzen Swing-Bys davor hat das gereicht, um in eine Umlaufbahn um den Merkur zu gelangen. Dort ist MESSENGER dann bis 2015 geblieben um so viel wie möglich über den Planeten herauszufinden.

Und MESSENGER HAT viel herausgefunden. Zuerst einmal haben wir jetzt endlich eine vollständige Karte von Merkur. Man hat aber auch das bestätigt, was man vorher schon stark vermutet hat: Merkur hat einen absurd großen Kern aus Metall. Gut, so einen metallischen Kern haben auch die Erde und Venus, aber Merkur ist viel kleiner; Merkur ist sogar noch kleiner als der Mars. Merkur hat nur einen Durchmesser von circa 4880 Kilometern. Der metallische Kern der in ihm steckt hat einen Durchmesser von 4100 Kilometern, was etwas größer als der Mond und vergleichbar mit dem Kern der Erde ist. Wir wissen bis heute noch nicht genau, wie der Merkur zu so einem gewaltigen Kern aus Metall kommt. Vielleicht hat es mit seiner Nähe zur Sonne zu tun; vielleicht ist auch eine Kollision in der fernen Vergangenheit verantwortlich, bei der ein gewaltiger Einschlag fast die gesamte Kruste und Mantel des Merkur entfernt hat, der dann früher sehr viel größer gewesen sein muss.

Extrem spannend war die Entdeckung, die man im Jahr 2012 gemacht hat. Es gab Hinweise auf Wasser auf der Oberfläche des Merkur. Kein flüssiges Wasser natürlich, denn Merkur hat keine Atmosphäre und ohne entsprechenden Druck kann es kein flüssiges Wasser geben. Aber der sonnennahe Planet hat eben auch eine Durchschnittstemperatur von circa 167 Grad und die Maximalwerte bei voller Sonneneinstrahlung liegen bei circa 430 Grad. Auf so einer durcherhitzten Welt ist eigentlich kein Wasser zu erwarten. Aber, und das haben die Messungen von MESSENGER gezeigt: In der Nähe der Pole von Merkur gibt es Krater, in die niemals Sonnenlicht gelangt. Die Rotationsachse des Merkur ist quasi gar nicht geneigt; sie steht fast exakt senkrecht auf die Bahnebene. Und in Kratern am Nord- oder Südpol kann, sofern ihre Wände hoch genug sind, tatsächlich ewige Dunkelheit herrschen. Damit wird es dort natürlich auch nie heiß und es bleibt kalt genug, dass gefrorenes Wasser existieren kann. Das war schon überraschend genug, aber noch überraschender waren die Spuren von organischen Molekülen, die man in diesen Kratern entdeckt hat. Kein Leben natürlich, aber simple Stickstoff- und Kohlenstoffverbindungen, die eigentlich auch nicht auf seiner heißen Welt existieren sollten, die ständig der harten Strahlung der nahen Sonne ausgesetzt ist.

Man geht heute davon aus, dass Wasser und organische Moleküle durch Asteroiden und Kometen auf den Merkur gebracht worden sind, die dort in der Vergangenheit eingeschlagen haben. Aber um solche Details zu klären, war MESSENGER dann doch nicht lange genug und vor allem nicht nahe genug vor Ort. Die Raumsonde hat noch jede Menge mehr entdeckt; Spuren von Vulkanismus zum Beispiel, die darauf hindeuten, dass der Planet noch vor ein paar hundert Millionen Jahren aktiv gewesen sein könnte, womit man ebenfalls nicht gerechnet hat. Das Magnetfeld des Merkur hat sich als überraschend komplex herausgestellt, weil es direkt mit den magnetischen Phänomenen der Sonne in Wechselwirkung steht. Und so weiter: MESSENGER hat mehr als deutlich gezeigt, dass eine Mission zum sonnennächsten Planeten wichtig war. Nach Mariner 10 hat man zwar 30 Jahre warten müssen, aber besser spät als nie. Und zum Glück war MESSENGER auch nicht die letzte Mission. 2018 ist ihr BepiColombo ins All gefolgt, eine Raumsonde der Europäischen Weltraumagentur gefolgt. Aber trotzdem war MESSENGER die erste, die den sonnennächsten Planeten umkreist hat. Und deswegen passt es auch gut, dass sie ihre Mission dort beendet hat. Nach dem die Mission zweimal verlängert wurde, war dann irgendwer der Treibstoff endgültig zu Ende. Mit den letzten paar Tropfen hat man MESSENGER in Richtung Merkur gesteuert, wo sie am 30. April 2015 abgestürzt ist. Dort liegt sie jetzt, als erstes von Menschen gemachte Objekt, das die Oberfläche dieser seltsamen fernen und heißen Welt erreicht hat.

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