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Sternengeschichten Folge 678: Die Quark-Ära im frühen Universum und die Entstehung der Materie

Shownotes

Sternengeschichten Folge 678: Die Quark-Ära im frühen Universum und die Entstehung der Materie

Die heutige Folge der Sternengeschichten wird kurz. Odr besser gesagt: Das Thema ist kurz. Das Phänomen, um das es geht, hat nur gut eine hunderttausendstel Sekunde gedauert. Und trotz dieser absurd kurzen Dauer hat das, was da passiert ist, das gesamte Universum geprägt. Es geht um etwas, das unmittelbar nach dem Urknall passiert ist und das wir verstehen müssen, wenn wir wissen wollen, wo die Materie im Universum her kommt. Es geht um die sogenannte "Quark-Ära".

Und damit wir verstehen, was damit gemeint ist, müssen wir zuerst ein paar Grundlagen klären. Quarks sind, soweit wir wissen, die grundlegenden Bausteine der Materie. Jedes Atom hat einen Kern aus Protonen und Neutronen und eine Hülle aus Elektronen. Die Protonen und Neutronen werden selbst aber wieder aus jeweils drei Quarks gebildet. Die Quarks sind Elementarteilchen und - soweit wir bis jetzt wissen, wie gesagt - selbst nicht mehr weiter unterteilbar.

Quarks sind seltsame Teilchen. Ganz besonders seltsam ist eine Eigenschaft, die man "Confinement" nennt. Quarks haben einerseits eine elektrische Ladung, andererseits aber auch etwas, das man "Farbladung" nennt. Mit dem, was wir im Alltag als "Farbe" bezeichnen hat das natürlich nichts zu tun; die Farbladung beschreibt, wie sich ein Teilchen unter dem Einfluss der starken Kernkraft verhält. Man kann sich das alles leider nicht anschaulich vorstellen, weil diese Phänomene sich auf Größenordnungen abspielen, die in unserem Alltag keine Rolle spielen. Aber wir können es vielleicht mit der elektromagnetischen Kraft vergleichen. Da wissen wir, dass Dinge elektrisch positiv oder negativ geladen sein können oder auch ungeladen. Und je nachdem, ob und wie sie geladen sind, verhalten sie sich unterschiedliche, wenn sie einer elektrischen oder magnetischen Kraft ausgesetzt sind. Es gibt aber eben auch noch andere grundlegende Kräfte im Universum und die starke Kernkraft ist eine davon. Und so wie die elektromagnetische Kraft nur auf Teilchen wirkt, die eine elektrische Ladung haben, wirkt die starke Kernkraft nur auf Teilchen, die eine andere Art von "Ladung" haben und diese andere Art der Ladung hat man in der Physik eben "Farbladung" genannt. Ein Teilchen kann "rot" geladen sein oder "grün" oder "blau" und wenn ein rotes, ein grünes und ein blaues Quark zusammen zum Beispiel ein Proton bilden, heben sich die drei unterschiedlichen Farbladungen auf und das Proton ist "farblos", spürt also dann die starke Kernkraft nicht mehr, genau so wie ein elektrisch ungeladenes Teilchen die elektromagnetische Kraft nicht mehr spürt.

In Wahrheit ist das natürlich, wie immer, sehr viel komplexer und vielleicht fragt sich der eine oder die andere, was das mit der Entstehung der Materie und der Quark-Ära im frühen Universum zu tun hat? Dazu kommen wir gleich, aber wir müssen zuerst ja noch klären, was es mit diesem "Confinement" auf sich hat. Vereinfacht gesagt bedeutet Confinement, dass in der Natur nur farblose Objekte vorkommen können. Es kann also nur Teilchen geben, die aus drei Quarks mit drei unterschiedlichen Farbladungen zusammengesetzt sind (oder Teilchen, die aus einem Quark und einem anderen Quark mit der passenden Anti-Farbe gebildet werden, aber das würde jetzt zu weit führen). Denn die starke Kernkraft, die auf die farbgeladenen Quarks wirkt und sie zusammenhält, verhält sich ein wenig seltsam. Würde man probieren, eines der drei Quarks von den anderen beiden zu lösen, dann wird die starke Kernkraft umso stärker, je weiter man es entfernt. Oder anders gesagt: Man braucht absurd viel Energie, um ein Quark zu isolieren und das ist noch nicht einmal alles. Wir wissen dank Albert Einstein, dass Energie gleich Materie mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat ist - E=mc². Materie kann also in Energie umgewandelt werden und Energie in Materie. Und die Energie, die man bräuchte, um ein Quark zu isolieren ist so groß, dass daraus sofort neue Quarks entstehen würden, die sich mit den restlichen verbinden, so dass neue farblose Teilchen entstehen.

Noch einmal anders gesagt bedeutet das alles, dass wir in der Natur niemals irgendwo ein einzelnes Quark sehen werden. Es sei denn, es herrschen irgendwo wirklich, wirklich extreme Bedingungen. Und damit sind wir jetzt bei dem zu Beginn angesprochenen extrem kurzen Zeitraum am Anfang des Universums. Wir sind jetzt bei der Quark-Ära, die ungefähr eine Billionstel Sekunde nach dem Urknall begonnen und eine hunderttausendstel Sekunde lang gedauert hat. Aber was soll schon groß passieren in so kurzer Zeit? Jede Menge und vor allem mit jeder Menge Konsequenzen für das heutige Universum.

Der Urknall hat vor 13,8 Milliarden Jahren stattgefunden. Damals war das Universum absurd winzig und absurd heiß. Über das, was ganz am Anfang passiert ist, wissen wir noch nicht so wirklich viel und auch nicht über das, was in den unvorstellbar kurzen Sekundenbruchteilen danach abgelaufen ist. Aber wir wissen, dass ein paar hundert Quintilliardstel Sekunden nach dem Urknall die kosmische Inflation stattgefunden hat. Damals ist das Universum plötzlich in einem unvorstellbar kurzen Zeitraum unvorstellbar viel größer geworden. Ich habe darüber in den Folgen 69 und 70 der Sternengeschichten ausführlicher gesprochen, aber auch mit einer längeren Erklärung kann man sich diese absurd kurzen Zeiträume immer noch nicht vorstellen. Das Universum ist auf jeden Fall quasi instantan ein paar Quadrillionen mal größer geworden als zuvor - aber da es davor unvorstellbar winzig war, ist es nach der Inflation immer noch winzig; vielleicht so groß wie ein Fussball; vielleicht auch ein wenig größer, aber definitiv noch nicht so unvorstellbar groß wie jetzt. Aber im Vergleich zum Zustand davor hat es sich natürlich extrem stark ausgedehnt und dabei auch extrem stark abgekühlt. Das heißt, nach dem Urknall war das Universum enorm heiß und dicht und voller Strahlung. Nach der Inflation war enorm kalt und gar nicht mehr dicht. Was jetzt passiert, nennt man "Reheating", also "Wiedererhitzung". Die Details sind einerseits enorm komplex und andererseits noch immer nicht vollständig verstanden. Aber sehr vereinfacht gesagt: Das Universum nach dem Urknall war von einem sogenannten "Inflatonfeld" durchdrungen, in dem sehr viel Energie gesteckt hat und dieses Feld mit seiner Energie hat die Inflation verursacht. Nach dem abrupten Ende der Inflation (und wir wissen nicht genau, warum sie geendet hat), hat dieses Feld seine Energie quasi losgelassen und aus der plötzlich freigewordenen Energie sind jede Menge Teilchen entstanden. Diese Teilchen sind miteinander kollidiert, haben sich gegenseitig ausgelöscht, Energie und Strahlung freigesetzt aus denen wieder neue Teilchen entstanden sind, und so weiter. Kurz gesagt: Der Kollaps des Inflatonfeldes hat dafür gesorgt, dass das Universum plötzlich von einer dichten, heißen Mischung aus Strahlung und Teilchen gefüllt ist.

Ab jetzt ist, wieder vereinfacht gesagt, aber wenn es um diese Themen geht ist ja alles nur vereinfacht gesagt - ab jetzt also ist das Universum voll mit Teilchen. Es ist voller Quarks, es ist voll mit Gluonen - das sind die Teilchen, die die starke Kernkraft vermitteln, so wie die Elektronen die elektromagnetische Kraft übertragen - und es ist auch noch voll mit ein paar anderen Elementarteilchen, die wir jetzt aber ignorieren, damit es nicht noch verwirrender wird. Vor allem ist dieses junge Universum noch so heiß, dass Quarks tatsächlich nicht in der Lage sind, sich durch die starke Kernkraft aneinander zu binden. Die Temperatur und damit die überall zur Verfügung stehende Energie ist so groß, dass die Quarks sich frei bewegen können. Es herrscht eine Art Gleichgewichtszustand. Quarks und Antiquarks vernichten sich gegenseitig, aus der Energie entstehen aber ständig neue Quarks und Antiquarks. Dazwischen sausen die Gluonen durch die Gegend und mischen auch mit. Dieser Zustand nennt sich "Quark-Gluonen-Plasma"; die Teilchen, die heute immer nur im Inneren der Atomkerne aneinander gebunden existieren können, waren damals frei und haben das ganze Universum angefüllt. Dieser Zustand hat, wie gesagt, ungefähr eine hunderttausendstel Sekunde gedauert. Dann war das Universum soweit abgekühlt, dass die Quarks nicht mehr genug Energie hatten, um sich frei zu bewegen. Sie haben sich aneinander gebunden, dabei unter anderem die Protonen und Neutronen gebildet und seitdem nicht mehr voneinander gelassen. Ab diesem Zeitpunkt existieren also die Bausteine der Atomkerne im Universum und die Grundlage für die Materie, so wie wir sie kennen, ist geschaffen.

Einen wichtigen Punkt haben wir aber noch nicht angesprochen. Ich habe vorhin erzählt, dass alles im Gleichgewicht war. Quarks und Antiquarks haben sich gegenseitig ausgelöscht; aus der Energie sind neu Quark und Antiquark-Paare entstanden. Und ich habe auch gesagt, dass beim Zerfall des Inflatonfeldes aus der Energie ebenfalls Quarks und Antiquarks entstanden sind. Aber wenn das wirklich so war; wenn da wirklich ein perfektes Gleichgewicht war, dann hätte nach dem Ende der Quark-Ära eigentlich nichts übrig bleiben dürfen. Wenn da wirklich genau so viele Quarks wie Antiquarks waren, dann hätten sich daraus auch gleich viele Protonen und Antiprotonen bilden müssen, usw. Materie und Antimaterie hätten sich nach Ende der Quark-Ära gegenseitig auslöschen müssen und das Universum wäre von da an nur mit Strahlung gefüllt. Es hätten sich nie irgendwelche Sterne gebildet; keine Galaxien, keine Planeten und auch keine Menschen, die in Podcasts über die Quark-Ära erzählen. Das Gleichgewicht kann also nicht perfekt gewesen sein und wir wissen bis heute nicht genau, was dafür gesorgt hat, dass das so war. Aber was immer da auch passiert ist; es muss irgendwann vor der Quark-Ära passiert sein. Irgendwann, nach der Inflation und dem Reheating, in den unvorstellbar kurzen Sekundenbruchteilen bis zum Beginn der Quark-Ära und derem Ende muss etwas dafür gesorgt haben, dass es zu einer Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie kommt. Ansonsten würde das Universum heute nicht so aussehen, wie es aussieht.

Wir haben natürlich keine Chance, direkt zu beobachten, was damals passiert ist. Aber wir können die Zustände der Quark-Ära zumindest näherungsweise nachstellen. In den großen Teilchenbeschleunigern können wir, für kurze Zeit und auf kleinem Raum, so viel Energie konzentrieren, dass ein Quark-Gluonen-Plasma entsteht. Damit haben wir eine Chance, zu erforschen, was damals vielleicht wirklich passiert ist. Und können verstehen, wie diese Sekundenbruchteile am Anfang des Universums dafür gesorgt haben, dass wir heute existieren können.

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