Sternengeschichten Folge 675: Achernar
Shownotes
Sternengeschichten Folge 675: Achernar
In dieser Folge der Sternengeschichten geht es um einen ganz besonderen Stern. Er ist so groß und heiß, dass er sich dadurch selbst verdunkelt und hüllt sich ab und zu in Ringe ein, die er selbst produziert. Der Stern, um den es heute geht, heißt Alpha Eridani oder auch Achernar. Er gehört zu den zehn hellsten Sternen des Himmels, von Europa aus können wir ihn aber nicht sehen. Achernar ist Teil des antiken Sternbilds Eridanus. Eridanus ist ein Fluss, der in der griechischen Mythologie eine Rolle spielt und wie man am Himmel sehen kann, besteht auch das Sternbild aus einer Reihe von Sternen, die sich wie ein Fluss in einer langen Linie über den Nachthimmel windet. Der Himmelsfluss beginnt am Fuss des Orion, mit einem Stern, der "Cursa" heißt, was so viel wie "Sessel des Orion" bedeutet. Richtung Süden folgen immer weitere Sterne und irgendwann auch einer, dessen Name übersetzt so viel heißt wie "Ende des Flusses". Das ist allerdings Theta Eridani beziehungsweise Acamar. Achernar kann man aber auch mit "Ende des Flusses" übersetzen und das braucht ein wenig Erklärung. Vor gut 3500 Jahren, als man in der griechischen Antike Sternbilder festgelegt hat, die zum Teil auch heute noch existieren, war Acamar von Südeuropa aus gerade noch über dem Horizont sichtbar. Von Achernar wusste man dagegen nichts - beziehungsweise wusste man in Griechenland davon nichts; erst in der Spätantike, als Menschen von dort auch weiter nach Süden gereist sind, ist ihnen der helle Stern aufgefallen, mit sich der himmlische Fluss gut verlängern lässt. Das erste Mal in den entsprechenden Himmelskarten ist er aber erst in der frühen Neuzeit, zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufgetaucht. Heute jedenfalls ist Achernar das offizielle "Ende des Flusses" und bildet das südliche Ende des Sternbilds Eridanus.
Wir wollen uns aber gar nicht so sehr mit der durchaus faszinierenden Geschichte des Sterns beschäftigen, sondern mit dem Stern selbst. Er ist, wie schon gesagt, sehr hell; der neunt-hellste Stern an unserem Nachthimmel. Wir wissen, dass er auch vergleichsweise nahe ist, nur circa 140 Lichtjahre weit weg. Ein heller Stern, in vergleichsweiser Nähe: Das muss also auch ein richtig großes Ding sein. Und so ist es auch: Achernar hat ungefähr sechs mal so viel Masse wie die Sonne und ist 6 bis 10 mal größer. Er leuchtet aber gut 3500 mal heller als unser Stern und wo die Temperatur in den äußeren Schichten der Sonne nur gut 5000 Grad beträgt, sind es bei Achernar um die 15.000 Grad. Er ist also ein großer, heißer Stern; ein Stern der Spektralklasse B und wie das bei so großen und heißen Sternen halt so ist, hat er nicht mehr viel Zeit vor sich. Achernar ist zwar erst knapp 60 Millionen Jahre alt, also deutlich jünger als die Sonne mit ihren 5 Milliarden Jahren. Aber bei heißen Sternen läuft die Kernfusion viel schneller ab; man geht davon aus, dass Achernar schon seinen ganzen Wasserstoff im Zentrum verbraucht hat und gerade dabei ist, das dort noch übrige Helium zu fusionieren. Das wird aber nicht mehr lange reichen und in naher - zumindest aus astronomischer Sicht - Zukunft, wird er aufhören zu fusionieren und ein weißer Zwergstern werden.
Bis es soweit ist, können wir uns aber noch anschauen, was Achernar sonst noch zu bieten hat. 2007 hat man entdeckt, dass Achernar Teil eines Doppelsternsystems ist. Sein Begleitstern ist ein wenig kleiner, aber mit ungefähr der doppelten Sonnenmasse immer noch ein ordentlicher Brocken. Die beiden sind einander auch sehr nahe. Die durschnittliche Distanz zwischen Achernar A und B ist nur wenig größer als der Abstand zwischen Sonne und Mars. Die beiden umkreisen einander alle 14 Jahre. Was aber an Achernar wirklich beeindruckend ist, ist seine Rotationsgeschwindigkeit. Der Stern rotiert mit um die 250 Kilometer pro Sekunde um seine Achse und das ist wirklich schnell. Die Sonne braucht für eine Drehung um ihre Achse ungefähr 25 Tage; Achernar schafft eine Rotation in 1,4 Tagen. Diese enorme Geschwindigkeit hat Folgen. Einerseits wird Achernar dadurch stark abgeplattet. Das heißt: Im Gegensatz zu Sternen wie unserer Sonne ist er nicht mehr näherungsweise kugelförmig, sondern stark zusammengedrückt. Misst man den Durchmesser entlang des Äquators von Achernar, dann ist der ungefähr 1,5 Mal länger als wenn man den Durchmesser von Pol zu Pol misst. Achernar gehört zu den am wenigsten runden Sternen die wir kennen und das ist noch nicht alles. Die extreme Abflachung führt zu etwas, das man "Gravitationsverdunkelung" nennt. Und das funktioniert so:
Stellen wir uns vor, wir würden direkt an einem Pol von Achernar stehen. Dort würden wir uns zwar auch schnell um unsere Achse drehen, aber wir würden keine Fliehkraft spüren, weil wir ja direkt auf der Drehachse sind. Was wir spüren, ist natürlich die Gravitationskraft des Sterns. Die spüren wir natürlich auch, wenn wir direkt am Äquator von Achernar stehen würden. Aber da wirkt wegen der schnellen Rotation eine starke Fliehkraft, und sie wirkt nach außen, der Schwerkraft entgegen. Oder anders gesagt: Dort ist die effektive Schwerkraft geringer. Das alles hat Auswirkungen auf das, was im Stern passiert. Denn im Inneren eines Sterns muss die Schwerkraft immer mit dem durch das Gas des Sterns ausgeübten Druck im Gleichgewicht stehen. Vereinfacht gesagt: Die Schwerkraft zieht nach innen und presst das Gas zusammen. Und der Druck wirkt dem entgegen. Je stärker die Schwerkraft, desto stärker ist auch der Druck. Und je höher der Druck ist, desto höher ist natürlich auch die Temperatur des Gases. Das alles bedeutet: An den Polen, wo die effektive Schwerkraft groß ist, ist auch die Temperatur hoch. Am Äquator ist die effektive Schwerkraft niedrig und dadurch ist es kühler. Dieser Temperaturunterschied ist auch nicht gerade gering: An seinen Polen ist Achernar ungefähr 17.000 Grad heiß, am Äquator sind es dagegen nur um die 12.000 Grad. Deswegen erscheint der Stern um den Äquator auch dunkler und genau das ist es, was man als "Gravitationsverdunkelung" bezeichnet.
Die hohe Rotationsgeschwindigkeit von Achernar wirkt sich aber auch anderweitig aus. Eben weil es an den Polen so heiß ist, bewegen sich die Atome aus denen der Stern besteht dort auch besonders schnell. So schnell, dass sie sich vom Stern lösen können - Achernar erzeugt also einen Strom aus Teilchen, der von seinen Polen hinaus ins All fließt. Das ganze Material bildet eine Scheibe, die den Stern wie einen Ring umgibt. Der Ring ist allerdings variabel; je nachdem wie viel Material gerade konkret an den Polen abgegeben wird. Beobachtungen aus dem Jahr 2011 haben zum Beispiel keine Scheibe gezeigt, im Jahr 2014 dagegen schon.
Große, heiße Sterne, die schnell rotieren und sich dadurch in ihr eigenes Material hüllen, nennt man "Be-Sterne", und Achernar ist ein wunderbares Beispiel dafür. Aber eine Frage bleibt noch offen: Warum rotiert er so schnell? Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten und eine davon hat mit einem Begleitstern zu tun. Sind sich zwei Sterne sehr nahe, dann kann Material von einem zum anderen gelangen. Der Stern, der die zusätzliche Masse aufnimmt, rotiert dadurch auch schneller. Das scheint auf den ersten Blick zu Achernar zu passen, denn er hat ja einen Begleitstern. Nur ist der zwar nahe, aber nicht so nahe, dass es einen Materialaustausch zwischen ihnen geben kann. Aber vielleicht ist da irgendwo noch ein dritter Stern? Sterne, die einander so nahe sind, kann man nur schwer getrennt voneinander beobachten; man muss ihre Existenz indirekt nachweisen und es wäre durchaus möglich, so etwas zu übersehen. Aber bei Achernar können wir das ausschließen. Denn dafür wiederum sind sich Achernar und sein bekannter Partnerstern zu nahe. Da passt kein weitere Stern mehr dazwischen; der könnte nicht mehr auf einer stabilen Umlaufbahn existieren. Bleibt also nur noch die Möglichkeit, dass Achernar von selbst so schnell geworden ist. So wie alle Sterne ist auch Achernar aus einer großen interstellaren Gaswolke entstanden. Diese Wolke hat auch rotiert, und als sie unter ihrer eigenen Gravitationskraft in sich zusammengefallen ist, hat sich die Rotationsgeschwindigkeit dabei erhöht. Soweit ist das noch nicht besonders; das passiert bei allen Sternen so. Bei Achernar dürfte diese "Geburtsrotationsgeschwindigkeit" aber vermutlich ein bisschen höher gewesen sein als üblich; vielleicht weil schon die Wolke aus irgendwelchen Gründen ein klein wenig schneller rotiert hat, als der Durchschnitt. Dann hat der Stern das gemacht, was ein Stern eben so macht: Nämlich Wasserstoff zu Helium fusioniert. Im Laufe der Zeit sammelt sich immer mehr Helium im Kern an, der dadurch immer dichter wird; gleichzeitig dehnen sich die äußeren Schichten des Sterns ein wenig aus, weil er im Lauf der Zeit auch heißer wird. Kurz gesagt: Die Masse in seinem Inneren verteilt sich ein wenig um und dadurch erhöht sich die Rotationsgeschwindigkeit.
Wie das im Detail passiert und warum es bei bestimmten heißen und großen Sternen besser funktioniert, wissen wir noch nicht. So viele Sterne dieser Art gibt es nicht, aber Achernar ist ein wunderbares Forschungsobjekt, an dem wir genau dieses Mechanismus der "Selbst-Beschleunigung" erforschen können. Und wer sich Achernar jetzt mit eigenen Augen am Himmel ansehen will, muss in den Süden reisen. Nicht ganz auf die Südhalbkugel, aber zumindest bis Mexiko, Nordafrika oder Indien. Oder aber, man wartet in ein wenig. In circa 5000 Jahren wird die Drehung der Erdachse dafür gesorgt haben, dass man Achernar auch von Österreich, der Schweiz und von Süddeutschland am Himmel sehen kann.
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