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Sternengeschichten Folge 673: Das Problem der Roten Überriesen

Shownotes

Sternengeschichten Folge 673: Das Problem der Roten Überriesen

Es gibt ein Problem mit den Roten Überriesen. Beziehungsweise: Wir haben ein Problem mit ihnen; die Sterne tun das, was sie eh immer tun. Aber am besten ist es, wenn wir ganz am Anfang anfangen. Was sind Rote Überriesen und warum gibt es da ein Problem? Die erste Frage ist einfach zu beantworten; und ich habe darüber ja schon oft hier im Podcast erzählt. Rote Überriesen sind ein spezielles Stadium in der Entwicklung massereicher Sterne. Sterne fusionieren in ihrem Inneren Wasserstoff zu Helium. Wenn der Wasserstoff im Kern des Sterns verbraucht ist, kann auch das Helium als Brennmaterial dienen. Dabei wird mehr Energie frei als vorher; der Stern wird heißer und bläht sich auf. Seine äußere Schichten kühlen dadurch aus und das Resultat ist ein Stern, der sehr viel größer ist als vorher und von außen betrachtet nicht mehr heiß und weiß-blau oder gelblich leuchtet, sondern kühl und rot ist. Also ein großer, roter Stern, den man deswegen auch als roten Riesen bezeichnet. Wenn der Stern aber wirklich sehr, sehr viel Masse hat, kann er dann sogar noch weiter wachsen und ein roter Überriese werden. Denn, und auch das hab ich schon oft erzählt: Die Masse eines Sterns bestimmt, wie hoch der Druck in seinem Zentrum ist und damit auch, wie hoch die Temperatur dort ist. Je höher die Temperatur, desto mehr unterschiedliche Kernfusionsreaktionen können ablaufen. Unsere Sonne schafft es gerade noch, Helium zu fusionieren, aber dann ist Schluss. Sie bläht sich auf, aber nur zu einem Roten Riesen. Erst Sterne, die mehr als circa die 10fache Sonnenmasse haben, können größer werden und am Ende zu einem Roten Überriesen.

In Wahrheit ist der Prozess natürlich sehr, sehr komplexer und wir haben die Entwicklung eines Sterns hin zum roten Überriesen noch nicht vollständig verstanden. Was wir aber auf jeden Fall wissen, ist das, was mit dem Roten Überriesen im weiteren Verlauf seiner Existenz passiert. Kurz gesagt: Er explodiert und es findet das statt, was man "Supernova" nennt. Und damit nähern wir uns dem Problem, um das es in dieser Folge geht.

Wir sehen überall in der Milchstraße die Überreste von solchen Explosionen. Was wir in unserer Milchstraße eher selten sehen, ist eine Supernova selbst. Die letzte haben wir im Jahr 1604 beobachtet, und da gab es noch keine Teleskope. Seit damals haben wir Supernova-Explosionen in anderen Galaxien gesehen, zum Beispiel die berühmte Supernova 1987A, die 1987 in der Großen Magellanschen Wolke, einer unsere Nachbargalaxien, stattgefunden hat. Aber auch wenn es die Nachbargalaxie ist, ist es trotzdem sehr, sehr weit weg und schwer zu beobachten. Es wäre sehr hilfreich für die Astronomie, wenn wir so ein Ereignis etwas näher und mit all den modernen Instrumenten beobachten können.

Aber das ist noch nicht das Problem, um das es geht. Das kommt gleich, keine Sorge. Eine Supernova ist kaum zu übersehen. Die Explosion ist so hell, dass wir sie selbst dann sehen können, wenn sie in einer weit entfernten Galaxie stattfindet. Wir wissen dann also, dass dort ein Stern explodiert sein muss. Was wir nicht wissen: Welcher Stern das war. Denn davor war dieser Stern ja deutlich weniger hell und mit großer Wahrscheinlichkeit so wenig hell, dass wir ihn nicht oder nur schwer von der Erde aus sehen können.

Das ist ein wenig unbefriedigend, denn eigentlich wollen wir ja nicht nur die Supernova beobachten, sondern auch wissen, wie der Stern davor ausgesehen und sich verhalten hat. Wir wollen den ganzen Prozess sehen; wir wollen wissen, welche Sterne auf welche Weise explodieren, und so weiter. Wir haben zwar gute Theorien darüber, wie sich Sterne entwickeln und wie dann die Explosion abläuft, mit der sie ihre Existenz beenden. Aber jede Theorie muss sich am Ende an den realen Beobachtungen messen lassen.

Es geht also um das, was in der Astronomie als "Vorläuferstern einer Supernova" genannt wird und insbesondere geht es um die Vorläufersterne der Supernova-Explosionen, die von roten Überriesen verursacht werden. Und immerhin haben wir da im Laufe der Zeit ein paar Fortschritte gemacht. Die Astronomie hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer mehr Daten gesammelt. Immer mehr Durchmusterungen haben immer größere Teile des Himmels fotografiert und die Daten in umfangreichen Katalogen organisiert. Oder anders gesagt: Wenn wir irgendwo in einer anderen Galaxie eine Supernova auftauchen sehen, dann können wir in unsere Archive schauen. Wir können nachsehen, ob die fragliche Galaxie schon früher einmal fotografiert worden ist und ob wir an der Stelle, an der die Supernova stattgefunden hat, ein Stern zu sehen ist. Wenn wir Glück haben, ist das der Fall und dann haben wir Daten über den Stern, der zur Supernova wurde und können damit unsere Theorien prüfen.

So etwas ist in der Vergangenheit immer wieder gelungen und genau hier liegt das Problem mit den Roten Überriesen. Als wir das erste Mal im Jahr 2005 einen Roten Überriesen als Vorläufer einer Supernova identifizieren konnten, hat das genau zu den Vorhersagen der Theorie gepasst. Im Laufe der Zeit haben wir immer mehr Rote Überriesen in den Archiven finden können, die zu beobachteten Supernova gepasst haben. Die waren aber alle eher auf der leuchtschwächeren, leichteren Seite der Roten Überriesen. Bei den Supernova-Explosionen die wir beobachtet haben, war so gut wie nie einer der wirklich großen Roten Überriesen der Vorläuferstern. Oder anders gesagt: Aus irgendeinem Grund scheinen diese großen Roten Überriesen keine Supernova-Explosionen zu erzeugen. Das ist das "Problem der Roten Überriesen" und die Astronomie wäre wirklich sehr an einer Lösung des Problems interessiert.

Wir wissen, dass die ganz, ganz großen Überriesen tatsächlich eher keine dramatischen Supernovas erzeugen. Die ganz großen Sterne haben eine so enorme Leuchtkraft; aus ihrem Inneren dringt so enorm viel Strahlung nach außen, dass sie sich - vereinfacht gesagt - regelrecht selbst auseinandernehmen. Jeder Stern erzeugt einen sogenannten "Sternwind", also einen Strom von Teilchen aus seinen Atmosphärenschichten, die ins All entkommen. Je heißer ein Stern ist, desto stärker ist auch dieser Sternwind. Die Giganten unter diesen Sternen, die extrem heiß sind, verlieren dadurch so viel Masse, dass sie am Ende nicht mehr genug haben, um die beeindruckenden Supernova-Explosionen zustande zu bringen. Die kleineren Sterne, mit weniger Masse und Temperatur natürlich auch nicht. Aber dazwischen gibt es eine Gruppe von Roten Überriesen, die eigentlich genau richtig wären, um ordentlich zu explodieren. Wir wissen, dass es diese Sterne gibt, weil wir sie da draußen beobachten können. Aber wir sehen diese Sterne so gut wie nie als Vorläuferstern einer Supernova.

Warum ist das so? Irgendwas haben wir offensichtlich noch nicht ganz verstanden, was die Entwicklung dieser Sterne angeht und wir würden es gerne richtig verstehen. Denn immerhin ist das, was in den roten Riesen passiert, nicht ganz unwichtig für den Rest des Universums. In dieser Endphase seines Lebens bläst ein Stern jede Menge Material hinaus ins All. Die ganzen Atome und Elemente, darunter auch viele, die nur die roten Riesen hervorbringen können, landen dann in den kosmischen Wolken, aus denen neuen Sterne und auch Planeten entstehen können. Das Material aus dem Planeten wie die Erde bestehen; das Material aus dem auch wir Menschen bestehen: All das ist unter anderem auch durch rote Riesen und Überriesen produziert worden. Wenn wir wissen wollen, wie all das im Detail funktioniert, müssen wir diese Himmelskörper verstehen und das Problem der Roten Überriesen lösen.

Es gibt mehrere Ideen dafür. Eine ist simpel: Rote Überriesen sind nicht häufig im Universum. Nur die allergrößten Sterne schlagen diesen Entwicklungsweg ein und große Sterne sind selten. Wir haben also wenig Daten und vielleicht ist es einfach nur Zufall, dass wir bis jetzt keine passenden Vorläufersterne unter den Roten Überriesen gefunden haben. Es kann theoretisch auch passieren, dass ein Stern am Ende seines Lebens nicht in Form einer beeindruckenden, hellen Supernova explodiert, sondern einfach unter seiner eigenen Gravitionskraft in sich zusammenfällt; immer weiter, bis er direkt zu einem schwarzen Loch wird. Der Stern verschwindet dann einfach vom Himmel und wir kriegen nichts davon mit. So etwas ist möglich, aber wir haben so einen Vorgang noch nicht zweifelsfrei beobachtet. Es kann aber auch sein, dass die roten Überriesen eh genau das machen, was sie sollen. Aber wir sehen es nicht, weil sie sich dabei verstecken. Darauf deuten zumindest Beobachtungen aus dem Jahr 2025 hin.

Am 29. Juni 2025 hat man eine Supernova in der Galaxie NGC1637 beobachtet. Und man hat sich auf die Suche nach dem Vorläuferstern gemacht. Fündig geworden ist man in den Daten des James-Webb-Weltraumteleskops und das Hubble-Weltraumteleskop hat an passender Stelle ebenfalls in früheren Aufnahmen einen Stern fotografiert. Man hat beide Datensätze kombiniert und die des Webb-Teleskops waren von besonderer Bedeutung. Denn das Webb-Teleskop beobachtet im Infrarotlicht und das ist besonders gut, wenn man Staub sehen will. Der Staub in der Umgebung der Sterne wird durch ihr Licht aufgeheizt und gibt diese Energie in Form von Wärme, als Infrarotlicht wieder ab. Ein Teleskop wie Webb kann das sehen und was man in diesem Fall gesehen hat, war bemerkenswert. Staub kann auf viele Weise im Universum gebildet werden, aber eine wichtige Quelle sind die roten Riesensterne. Die ganzen Atome aus ihrem Sternwind können sich miteinander verbinden und immer größere Strukturen bilden. Dieser Staub wird dann hinaus ins All geblasen, kann aber auch für einige Zeit eine Art Hülle um den Stern bilden. Das haben wir schon früher gewusst und bei Sternen wie zum Beispiel Beteigeuze beobachtet. Der Rote Überriese, der am 29. Juni 2025 zur Supernova wurde, war aber so staubig wie kein anderer, den wir zuvor beobachtet haben. Die dicke Staubhülle blockiert natürlich einen Teil seines Lichts und erscheint uns daher weniger hell als er eigentlich ist.

Das könnte bedeuten: Vielleicht haben wir nur deswegen geglaubt, dass die roten Überriesen so selten Vorläufersterne von Supernova-Explosionen sind, weil wir sie nicht ordentlich gesehen haben. Sie produzieren mehr Staub als gedacht und deswegen erscheinen sie uns dunkler als sie sind. Wenn das stimmt, dann ist das Problem der Roten Überriesen gar keines, dann passt alles. Wir müssen nur besser lernen, die wahre Helligkeit der Sterne hinter ihrer Staubschicht zu erkennen. Wenn das stimmt, dann heißt das aber auch, dass wir in Zukunft besser lernen können, wie diese riesigen Sterne ihre Leben beenden. Sie tun das offensichtlich auf eine Art, bei der viel mehr Staub ins All gepustet wird, als wir bisher dachten. Also genau das Material, das anderswo im Universum die Grundlage für Planeten - oder auch Menschen ist. Die Lösung des Problems der Roten Überriesen könnte gleichzeitig der Anfang einer Antwort auf die Frage nach unserem Ursprung sein.

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