Sternengeschichten Folge 668: Kathryn's Wheel: Das Feuerwerk der galaktischen Kollisionen
Shownotes
Sternengeschichten Folge 668: Kathryn's Wheel: Das Feuerwerk der galaktischen Kollisionen
Ein leuchtender Ring aus Sternen mit einem Durchmesser von knapp 20.000 Lichtjahren. Wer mit einem ausreichenden starken Teleskop - und es muss ein wirklich starkes Teleskop sein! - am Himmel der südlichen Hemisphäre in Richtung des Sternbilds Altar schaut, kann dort diese beeindruckende Struktur beobachten. Sie befindet sich gut 30 Millionen Lichtjahre entfernt, was definitiv weit weg ist. Trotzdem ist Kathryn's Wheel das uns am nächsten gelegene Beispiel für die selten auftretenden Ringgalaxien.
Von Galaxien habe ich schon oft erzählt und auch von ihren unterschiedlichen Formen. Es gibt Spiralgalaxien, wie unsere Milchstraße, die im Wesentlichen aus einer große Scheibe bestehen, in der die Sterne spiralförmig angeordnet sind. Und es gibt elliptische Galaxien, eigentlich nur große, mehr oder weniger abgeplattete Kugeln aus Sternen. Und dann gibt es natürlich auch noch alle möglichen Arten von unregelmäßig geformten Galaxien und in sehr vielen Fällen ist ihre unregelmäßige Form das Resultat von galaktischen Kollisionen.
Eine Ringgalaxie ist ein Sonderfall. Der Name beschreibt die Form äußerst treffend: In so einer Galaxie findet man einen hellen Ring aus jungen, meist bläulich leuchtenden Sternen, der ein dunkleres Zentrum umgibt. Wir kennen nicht viele dieser Objekte, aber die, die wir kennen, sind immer spektakulär. Zum Beispiel die Wagenradgalaxie, die sich 500 Millionen Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbilds Bildhauer befindet. Sie sieht tatsächlich wie das Rad eines Wagens oder eines Fahrrads aus. Ein heller, blauer Ring aus Sternen mit einem Durchmesser von 150.000 Lichtjahren, mit schwach leuchtenden "Speichen", die ins Zentrum des Rings führen in dem sich eine rötlich, hell leuchtende kugelförmige Struktur aus Sternen befindet.
Genau so eine Ringgalaxie haben Forscherinnen und Forscher unter der Leitung von Quentin Parker und Albert Zijlstra vom Australischen Astronomischen Observatorium im Jahr 2015 entdeckt. Oder besser gesagt: Die grundlegenden Daten sind eigentlich schon im Jahr 2005 gesammelt worden. Damals hat ein anderes Team, ebenfalls unter der Leitung von Quentin Parker einen großen Teil des Himmels im H-Alpha-Licht kartografiert. So bezeichnet man rotes Licht mit einer Wellenlänge von 656,28 Nanometern und man hat dieser Wellenlänge deswegen einen eigenen Namen gegeben, weil es nicht einfach irgendeine Wellenlänge ist. Es ist das Licht, das Wasserstoffatome aussenden, wenn sie auf eine spezielle Weise angeregt werden. Die Details sind jetzt nicht wichtig, die hebe ich mir für eine eigene Folge zur H-Alpha-Astronomie auf. Wichtig ist jetzt nur: Wasserstoff ist das häufigste chemische Element im Universum und wenn man die Strahlung aus dem All durch einen Filter schickt, der nur das H-Alpha-Licht durchlässt, kann man sehr viele Phänomene sehr viel besser untersuchen, als wenn man einfach alles Licht auf einmal betrachtet. Damals, im Jahr 2005, war man eigentlich an planetarischen Nebeln interessiert, also den kosmischen Wolken, die von Sternen am Ende ihres Lebens erzeugt werden, wenn sie Teile ihrer atmosphärischen Schichten hinaus ins All abstoßen. Aber die Beobachtungen waren gut genug, um auch Objekte zu sehen, die weiter weg waren. Man wusste auch 2005 schon, dass sich in dieser Region am Himmel eine ferne Galaxie befindet; das hat man schon in entsprechenden Katalogisierungsbeobachten aus dem Jahr 1974 gewusst. Aber es gibt halt viele Galaxien im Universum und man kann sich nicht jede davon im Detail ansehen. Das Objekt mit der offiziellen Bezeichnung ESO 179-13 ist also zwar immer wieder mal untersucht worden, aber die Galaxie war nie besonders wichtig in der Forschung.
Vor 2005 wusste man, dass da eine Galaxie ist und dass diese Galaxie eigentlich aus zwei Galaxien besteht, die gerade dabei sind, irgendwas miteinander anzustellen. Sie sind einander nahe genug, dass sie sich gegenseitig durch ihr Gravitationskraft beeinflussen können. Man wusste, dass es sich um eher kleine Galaxien handelt, vergleichbar mit den Magellanschen Wolken, also den Zwerggalaxien, die zu den Satellitengalaxien der Milchstraße gehören. Man wusste, dass die Galaxien mit einem Abstand von circa 30 Millionen Lichtjahren vergleichsweise nahe sind, aber sie liegen von uns aus gesehen genau in der Richtung in der sich auch die meisten Sterne der Milchstraße befinden. Oder anders gesagt: Wenn man diese beiden wechselwirkenden Galaxien beobachten will, stehen einem die viel heller leuchtenden Sterne unserer eigenen Galaxie im Weg.
Dann kamen die Beobachtungen im H-Alpha-Licht aus dem Jahr 2005 und die haben die Sache klarer gemacht. Das Licht des Wasserstoffs hat gezeigt, dass es bei diesen Galaxien Regionen gibt, in denen gerade viele Sterne entstehen müssen, denn das sind genau die Bereiche, die besonders gut im H-Alpha-Licht sichtbar sind. In den Jahren danach wurden mehr Daten mit anderen Teleskopen gesammelt; die Daten wurden kombiniert, gefiltert, und so weiter und am Ende stand das, was Quentin Parker und Albert Zijlstra in der Arbeit aus dem Jahr 2015 verkündet haben: Bei ESO 179-13 handelt es sich nicht einfach nur um zwei kleine Galaxien, die gerade miteinander wechselwirken. Es handelt sich um eine Ringgalaxie und noch dazu eine Ringgalaxie, die uns - nach allem was wir bis dahin wussten - am nächsten von allen bekannten Ringgalaxien liegt. Warum das wichtig ist, klären wir gleich noch, aber es ist auf jeden Fall wichtig genug, dass die Astronominnen und Astronomen das Ding nicht mehr einfach nur ESO 179-13 nennen wollten. Sie haben es "Kathryn's Wheel" genannt. Einerseits, weil dieser leuchtende Ring aus Sternen so aussieht, wie das Feuerwerk, das wir auf deutsch "Feurrad" nennen und das auf englisch als "Catherine Wheel" bezeichnet wird. Und andererseits weil die Ehefrau von Albert Zijlstra ebenfalls "Kathryn" heißt und er ihr damit eine Freude machen wollte.
Also: Seit 2015 wissen wir, dass sich in 30 Millionen Lichtjahren Entfernung von der Erde eine Ringgalaxie befindet. Sie besteht aus einem Ring, der hell leuchtet und in dem jede Menge junge Sterne erst vor kurzer Zeit entstanden sein müssen. Im Zentrum des Rings erkennt man eine schwach leuchtende, kleine Galaxie, ähnlich der großen Magellanschen Wolke. Und die war quasi die "Kugel", die mit ihrem Treffer den Sternenring erzeugt hat. Der Prozess läuft circa so ab: Zuerst ist da eine Spiralgalaxie, die friedlich ihrer Wege durchs Universum geht. Bis dann auf einmal eine andere Galaxie ankommt und alles durcheinander bringt. So wird es ja auch bei uns sein: Die Milchstraße, eine große Spiralagalaxie, ist gerade dabei mit der Andromedagalaxie zu verschmelzen. Beide Galaxien bewegen sich aufeinander zu und in ein paar Milliarden Jahren werden sie eine gemeinsame Galaxie bilden. Bis dahin werden sie vielleicht noch ein paar Mal aneinander vorbei fliegen, einander wieder anziehen, sich annähern, sich vielleicht auch das eine oder andere Mal durchdringen, und so weiter. All das wird für jede Menge Aufruhr sorgen, die Galaxien werden sich dabei verformen, die Spiralarme werden sich auflösen oder noch weiter verwickeln - kurz gesagt: Es wird all das passieren, was passiert, wenn zwei Galaxien miteinander wechselwirken und wir können solche Prozesse überall im Universum beobachten.
Bei der Entstehung einer Ringgalaxie passiert all das auch, aber auf eine sehr spezielle Weise. Die eine Galaxie trifft dabei genau auf das Zentrum der anderen Galaxie. Ungefähr so wie wenn man einen Dartpfeil genau ins Bulls Eye einer Dartscheibe wirft, nur dass das Bulls Eye hier das Zentrum der Galaxie ist und der Dartpfeil eben die andere Galaxie. Das Zentralgebiet einer Galaxie ist aber sowieso schon der Bereich, wo sich die meisten Sterne befinden und das daher eine besonders große Gravitationswirkung auf die weiter außen liegenden Sterne ausübt. Wenn da jetzt noch eine zweite Galaxie ihre gesamte Masse ins Zentrum der ersten verlagert, hat das weitreichende Folge. Sterne und vor allem auch das interstellare Gas zwischen den Sternen wird aus den äußeren Regionen der Zielscheiben-Galaxie in Richtung Zentrum gezogen. Allerdings nur so lange, bis die Dartpfeil-Galaxie die Zielscheibengalaxie durchdrungen und auf der anderen Seite wieder verlassen hat. Dann bewegen sich Sterne und Gas wieder zurück. Diese spezielle Art der Bewegung von Sternen und Gas sorgt dafür, dass eine sich vom Zentrum weg bewegende "Verdichtungswelle" entsteht. Oder anders gesagt: Wenn eine Galaxie genau durch das Zentrum einer anderen Galaxie fliegt und wenn sie das schnell genug macht, entstehen dabei Gravitationskräfte, die dazu führen, dass interstellares Gas in einem Ring um das Zentrum der durchdrungenen Galaxie komprimiert wird. Und wenn man interstellares Gas verdichtet, dann entstehen daraus Sterne. Wir kriegen also jede Menge junge Sterne, die einen Ring bilden, der hell leuchtet, weil junge Sterne dazu neigen, sehr hell zu leuchten.
So einen Ring gibt es aber wirklich nur, wenn die Galaxie von der anderen zentral getroffen wird, wenn die Dartpfeil-Galaxie nicht zu groß ist und wenn sie sich ausreichend schnell bewegt. Das passiert nicht so oft und deswegen sind Ringgalaxien sehr seltene Objekte. Allein deswegen ist es schon aufregend, wenn man, wie im Fall von Kathryn's Wheel ein neues Objekt dieser Art entdeckt. Und wenn es dann auch noch die uns am nächsten gelegene Ringgalaxie ist: Um so besser. Denn Kathryn's Wheel ist nicht nur sehr nahe, es handelt sich um eine sehr kleine Ringgalaxie. Die bei ihrer Entstehung beteiligten Objekte waren Zwerggalaxien und der Ring selbst hat auch nicht viel Masse. Er besteht aus nur gut einer Milliarde Sterne, das ist quasi nichts im Vergleich zu den über 100 Milliarden Sternen, die zum Beispiel unsere Milchstraße bilden.
Wenn aber auch kleine Galaxien Ringe bilden können, dann könnten Ringgalaxien vielleicht häufiger sein, als wir bisher gedacht haben, weil kleine Galaxien viel häufiger sind als die großen. Und dass wir sie bis jetzt trotzdem nicht so oft beobachtet haben, liegt einerseits daran, dass man kleine Galaxien schlechter beobachten kann als die großen, die heller leuchten. Und andererseits vielleicht auch daran, dass wir noch nicht so genau wissen, wonach wir da suchen müssen und wie man die Objekte genau erkennt. Selbst bei Kathryn's Wheel hat es ja gut 10 Jahre gedauert, bis genug Daten beisammen waren, um am Ende den Ring aus Sternen sichtbar zu machen. Aber jetzt wo wir diese nahe Ringgalaxie entdeckt haben, können wir sie im Detail erforschen und besser erforschen, als die weiter entfernten, großen Ringgalaxien wie die Wagenradgalaxie. Und am Ende finden wir vielleicht noch mehr dieser spektakulären Feuerwerke aus leuchtenden Sternenringen im Universum.
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