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Sternengeschichten Folge 658: Die Kirche, die Wissenschaft und außerirdisches Leben

Shownotes

Sternengeschichten Folge 658: Die Kirche, die Wissenschaft und außerirdisches Leben

Ob es neben der Erde auch noch andere Himmelskörper gibt und ob auf diesen anderen Himmelskörpern irgendwelche intelligenten Wesen leben, ist eine Frage, die uns Menschen immer schon beschäftigt hat. Schon vor mehr als 2500 Jahren haben die Gelehrten der Antike darüber diskutiert und wir haben bis heute noch nicht aufgehört damit. Einer Antwort näher gekommen sind wir aber erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts, als Wissenschaft und Technik ausreichend weit entwickelt waren. Und davor; vor der Aufklärung und der Wissenschaft der Neuzeit, hat ja sowieso die Kirche alle Gedanken dieser Art unterdrückt, weswegen es keine Fortschritte gegeben hat - oder nicht? Das ist es zumindest, was sehr oft hören kann, wenn es um Wissenschaft und Religion geht. Und natürlich wäre es falsch zu sagen, dass sich die Kirche und die Wissenschaft nie gestritten hätten. Ganz im Gegenteil; die Geschichte ist voll mit entsprechenden Konflikten. Aber es wäre genau so falsch zu behaupten, dass die Kirche der Wissenschaft immer und ausschließlich feindlich gegenüber gestanden wäre. Ich habe in den Sternengeschichten ja immer wieder von Geistlichen erzählt, die relevante wissenschaftliche Forschung betrieben haben. Und auch was die Sache mit dem außerirdischen Leben angeht, ist die Sache nicht so eindeutig, wie man denken könnte.

Deswegen machen wir in der heutigen Folge der Sternengeschichten einen kleinen Ritt durch die Geschichte und schauen uns an, was die Menschen früher wirklich zu diesem Thema gedacht haben. Und wir fangen mit Hippolyt an, der im 3. Jahrhundert Bischof von Rom war. Wir sind also quasi noch in den Anfangsjahren der christlichen Kirche und Hippolyt war einer ihrer wichtigsten Vertreter. Trotzdem werden ihn heute vermutlich wenige Menschen kennen, ausgenommen vielleicht diejenigen, die in der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten leben, deren Schutzpatron der später heiliggesprochene Hippolyt ist. Uns aber interessiert, was er in seinem Werk mit dem Titel "Widerlegung aller Häresien" geschrieben hat. Darin zählt Hippolyt alles auf, was seiner Meinung nach definitiv nichts mit dem wahren christlichen Glauben zu tun hat. Sowas ist wichtig bei einer jungen Religion, bei der noch nicht klar ist, in welche Richtung sie sich entwickelt - da muss man klare Richtlinien vorgeben. Und die "Faseleien des Monoimos" gehören laut Hippolyt offensichtlich nicht dazu. Genausowenig wie der "Wahnsinn des Markion" und der "Unsinn des Karpokrates". Und keinesfalls die "gotteslästerliche Torheit des Noetus". So lauten zumindest einige der Kapitelüberschriften aus dem Buch; ich habe jetzt aber nicht im Detail nachgeschaut, womit diese Leute den Zorn den Hippolyt verdient haben. Wen Hippolyt aber auch nicht leiden konnte, war der griechische Gelehrte Demokrit. Der lebte im 4. Jahrhundert vor Christus und war der Hauptvertreter der Atomistik. Sehr kurz zusammengefasst: Demokrit war überzeugt, dass sämtliche Materie aus kleinen Bausteinen besteht, die selbst nicht mehr weiter unterteilbar sind. Die hat er "Atome" genannt und wir verwenden das Wort auch heute noch, aber mit dem, was Demokrit sich damals gedacht hat, hat unser modernes Atombild nichts zu tun. Demokrit hat sich Atome als alle möglichen geometrische Formen vorgestellt; es gibt runde, glatte, unregelmäßig geformte Atome; es gibt Kugelatome, Würfelatome; welche in der Form von Zylindern oder Pyramiden, und so weiter. Je nachdem wie sich diese unzähligen Atome verbinden, sehen wir dann etwas, das wie eine Pflanze aussieht, wie ein Tier, wie Wasser oder Feuer. In Wahrheit gibt es, so Demokrit, nichts anderes als Atome und leere Raum. In diesem leeren Raum wuseln die Atome durcheinander und wenn sie sich richtig verbinden, dann kommt dabei so etwas wie die Erde raus. Aber wenn es unendliche viele Atome in einem unendlich großen Raum gibt, dann muss im Laufe der Zeit zwangsläufig mehr als nur eine Erde entstehen. Genaugenommen müsste es unendlich viele Erden geben, in allen möglichen Variationen. Genau das war es, was Hippolyt so aufgeregt hat: "Er lehrt […] dass es zahllose, verschieden große Welten gebe; in einigen Welten gebe es weder Sonne noch Mond, in anderen hätten sie einen größeren Umfang, in wieder anderen seien sie mehrfach vorhanden". Das konnte nicht sein, so Hippolyt und an diesem Ausschnitt seines Textes sehen wir übrigens auch gut, was damals gemeint war, wenn man von einer "anderen Welt" gesprochen hat.

Nicht ein anderes Planetensystem, bei einem anderen Stern; soweit war man damals noch nicht. Die "Welt" war die Erde, im Zentrum, die umschlossen war von Kugelschalen aus einem mysteriösen, himmlischen Material und auf diesen Schalen leuchten und bewegen sich die Planeten, die Sonne und der Mond und außen rum ist noch eine letzte Schale, die mit den Lichtern der Sterne dekoriert ist. Die "Welt", das was wir heute das "Universum" nennen würden, war damals eine vergleichsweise kleine Angelegenheit. Aber, so zumindest Demokrit, da draußen gibt es noch jede Menge andere Welten dieser Art. Hippolyt war nicht der einzige, der anderer Meinung war - aber auch seine Meinung stand nicht ohne Widerspruch da. Origenes, ein frühchristlicher Gelehrte der im dritten Jahrhundert in Alexandria gelebt hat, hat sich überlegt, was Gott wohl gemacht hat, bevor er die Erde geschaffen hat. Sicherlich war Gott nicht faul, das passt nicht dazu. Vermutlich hat er da an einer anderen Welt gearbeitet. Und wenn unsere Welt einmal ein Ende findet, dann wird Gott sicherlich nicht in Pension gehen und den Laden zusperren, sondern eine neue Welt schaffen. Origines war der Meinung, dass es unendliche viele Welten geben müsste, immer eine nach der anderen, weil Gott offensichtlich ein Workoholic ist. Ok, das letzte hat er so nicht gesagt, aber es ist klar, dass auch aus christlicher Sicht die Erde nicht zwingend einzigartig sein muss.

Das Problem mit der christlichen Sicht ist aber, dass sie nicht auf nachvollziehbaren Fakten und Beobachtungsdaten basiert. Das trifft damals aber auf nicht nur auf die christliche Sicht zu, sondern auf jede Sicht der Welt. Demokrit konnte genau so wenig beweisen, dass seine wuselige Atomwelt real ist, wie Origines beweisen konnte, dass Gott nicht vielleicht doch mal ne Zeit lang Urlaub macht. Alles was man tun konnte, war nachdenken - aber das, was man sich dann ausgedacht hatte, war durch keine damals durchführbare Methode nachvollziehbar beweisbar. Aber nachgedacht hat man auf jeden Fall. Der deutsche Bischof Albertus Magnus hat im 13. Jahrhundert geschrieben: "Ob es nur eine Welt oder viele Welten gibt, ist eine der erstaunlichsten und nobelsten Fragen über die Natur. Es ist eine Frage, die der menschliche Geist aus sich selbst heraus verstehen will. Deswegen ist es wünschenswert, dass wir uns darüber Gedanken machen." Diesem Satz kann man auch aus einer modernen, wissenschaftlichen Perspektive zustimmen, genau so übrigens wie der Kritik des französischen Bischofs Nikolaus von Oresme, der im 14. Jahrhundert darauf hingewiesen hat, dass Spekulationen nicht sinnvoll sind, wenn man keine Möglichkeit hat, herauszufinden, ob sie richtig oder falsch sind.

Aber wir müssen halt trotzdem spekulieren und das haben die Leute natürlich weiter getan. Thomas von Aquin, einer der bedeutensten Kirchenlehrer der römisch-katholischen Kirche war im 13. Jahrhundert fest davon überzeugt, dass es nur eine Welt geben kann. Denn es gibt ja auch nur einen Gott. Eine Welt für einen Gott, das spiegelt Gottes Perfektion wieder und deswegen kann es nur so sein. Im 15. Jahrhundert hat der deutsche Theologe Nikolaus von Kues aber behauptet, dass es jede Menge Welten geben muss. Denn die Sonne sei in Wahrheit auch wie die Erde, nur eben von einer leuchtenden Wolkenschicht umgeben. Und anderesherum ist es genau so: Vom All aus betrachtet würde die Erde aussehe wie die Sonne, weil sie auch von so einer leuchtenden Schicht umgeben ist, die wir aber vom Erdboden nicht wahrnehmen können. Alle Sterne am Nachthimmel sind also Welten wie die Erde, so Kues und überall würde jemand leben. Einer ähnlichen Ansicht war auch der italiensche Mönch und Philosoph Giordano Bruno im 16. Jahrhundert. Ein allmächtiger und unendlicher Gott muss doch bitte auch ein unendlich großes Universum voll mit unendlichen vielen Welten erschaffen haben, sonst macht das alles keinen Sinn. Jeder Stern am Nachthimmel ist eine Sonne wie unsere eigene und jede davon wird von Planeten umkreist. Das wir das nicht sehen können, liegt nur daran, dass sie so weit entfernt sind. Womit Bruno aus heutiger Sicht erstaunlich richtig lag - sein Pech war nur, dass er von der Kirche dafür verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden ist. Das stimmt, leider, aber es war nicht so sehr die Aussage, dass es jede Menge fremde Welten gibt. Das hat die Kirche weniger interessiert als Brunos Behauptung, dass das Universum unendlich lange existieren wird. Wenn das Universum aber kein Ende hat, dann hat auch Gott keine Gelegenheit, das in der Bibel angekündigte "Jüngste Gericht" abzuhalten und die Menschen in Sünder und Gerechte einzuteilen, die ins dann neu geschaffene Reich Gottes eintreten dürfen. Das war massive Ketzerei und Bruno musste sterben.

Auch Galileo Galilei kam in Konflikt mit der Kirche, weil er behauptet hat, dass die Erde sich bewegt, obwohl in der Bibel nichts davon steht; im Gegenteil, dort findet man sogar eine Stelle in der zu lesen ist "Aber Josua hieß die Sonne stillzustehen und nicht das Erdreich". Und stillstehen kann die Sonne nur, wenn sie sich vorher bewegt hat. Galilei wurde zumindest nicht hingerichtet und es ist übrigens auch ein Mythos, dass Martin Luther, in Bezug auf das gerade genannte Biblezitat, Nikolaus Kopernikus einen "Narr" genannt hat. Diese Story ist erst im 19. Jahrhundert entstanden, als ein paar katholische Historiker den Gründer des Protestantismus als Gegner der wissenschaftlichen Revolution dargestellt haben, um ihn schlecht und dumm aussehen zu lassen. In Wahrheit war Luther die Astronomie ziemlich egal; er hat sich dazu nirgenwo geäußert.

Mit Galilei und Kopernikus sind wir jetzt aber schon fast in der Neuzeit angelangt. Es gäbe noch viel mehr zu erzählen, über die Kirche und die Gelehrten der Antike und des Mittelalters. Und noch viel mehr über den Weg von der frühen Neuzeit bis heute. Aber diese Geschichten muss ich ein anderes Mal erzählen. Immerhin aber wissen wir seit 1995, dass es da draußen tatsächlich noch andere "Welten", also andere Planeten gibt, die andere Sterne umkreisen. Wir wissen heute, dass diese Planeten genau so zahlreich sind wie die Sterne selbst, mindestens. Ob es auf irgendeiner dieser Welten auch intelligente Lebewesen gibt, wissen wir noch nicht. Aber - wie die Geschichte zeigt - werden wir nicht aufhören können, darüber nachzudenken und nachzuforschen. Wir werden uns weiter damit beschäftigen; wir müssen es tun, weil das eine Frage ist, die uns einfach nicht loslässt. Egal, was wir glauben oder nicht glauben.

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