Sternengeschichten Folge 654: Das Sternbild Einhorn
Shownotes
Sternengeschichten Folge 654: Das Sternbild Einhorn
Der Himmel ist der Ort, wo es die Dinge gibt, die hier auf der Erde nicht existieren können. Er ist auch der Ort, an den wir im Laufe der Zeit unsere Mythen und Monster, Helden und Dämonen, Götter und Geschichten platziert haben. Und deswegen ist es auch nicht verwunderlich, wenn dort am Himmel auch ein Einhorn rumsteht. Es ist ein Sternbild, das man auch von Mitteleuropa aus sehen kann. Aber sonderlich auffällig ist es nicht, und da es sich in unmittelbarer Nachbarschaft des viel markanteren Sternbilds Orion und des Sirius, dem hellsten Stern am Nachthimmel befindet, wird es gerne übersehen.
Und auf den ersten Blick gibt es da auch nicht so viel zu sehen. Keiner der Sterne in dieser Region des Himmels ist wirklich hell. Man kann viele Sterne im Einhorn zwar mit bloßem Auge sehen, aber es handelt sich um schwach leuchtende Sterne, die leicht in der künstlichen Aufhellung des Nachthimmels verschwinden. Dabei sollte man das Einhorn nicht unterschätzen. Es ist voll mit faszinierenden Objekten, die sich aber erst dann zeigen, wenn man mit ausreichend starken Teleskopen und viel Nachdenken über das Beobachtete dort hin schaut.
Schauen wir aber zuerst, wie immer bei den Sternbildern, kurz auf die Geschichte. Obwohl es ein Sternbild ist, das auch von der nördlichen Halbkugel aus sichtbar ist, gehört es nicht zu den 48 klassischen Bildern der Antike. Das erste Mal gesichert kennen wir das Einhorn von einem Himmelsglobus des niederländischen Kartografen Petrus Plancius. Im Jahr 1612 hat er darauf die damals bekannten Sternbilder eingezeichnet und dazu noch acht neue, mit dabei das "Monoceros Unicornis", also das Einhorn. Andere haben dieses Motiv dann in spätere Sternkarten übertragen und es hat so bis zur endgültigen Festlegung der heute 88 offiziellen Sternbilder überlebt. Im Gegensatz zu den Sternbildern der Antike gibt es aber keine spannenden mythologischen Geschichten darüber zu erzählen. Wenn überhaupt, dann ist es als christliches Symbol gedeutet, da es ein paar Mal in der Bibel erwähnt wird (auch wenn man heute eher der Meinung ist, dass es sich dabei um Übersetzungsfehler handelt und eigentlich Büffel gemeint waren).
Auch die Sterne im Einhorn sind nicht das, was diese Gegend des Himmels so faszinierend macht. Der hellste Stern heißt Lukida, ist circa 140 Lichtjahre von der Erde entfernt, ist 10 mal so groß und doppelt so schwer wie die Sonne und ansonsten nicht weiter auffällig. Das gilt auch für die meisten anderen helleren Sterne dort.
Sehr viel eindrucksvoller, auf jeden Fall was das Aussehen angeht, ist das, was recht poetisch der "Rosettennebel" genannt wird. Es handelt sich dabei um einen offenen Sternhaufen, also eine lose Gruppe von Sternen, der in einen Emissionsnebel eingebettet ist, also eine riesige interstellare Wolke aus Gas und Staub, die - angeregt durch das Licht der Sterne - in allen möglichen Farben leuchtet. Der Nebel ist über 5000 Lichtjahre weit entfernt und hat einen Durchmesser von 65 Lichtjahren. In seinem Zentrum befindet sich eine Region, in der gerade Sterne entstehen und schon ein paar tausend junge und heiße Sterne entstanden sind. Ihre Strahlung bringt den Nebel zum Leuchten und sorgt für sein eindrucksvolles Aussehen.
Mindestens genau so beeindruckend ist V838 Monocerotis. Dieses Objekt befindet sich 20.000 Lichtjahre entfernt und wir wissen überhaupt erst seit Januar 2002, dass es da etwas zu sehen gibt. Damals ist in dieser Region des Himmels plötzlich ein sehr helles Objekt aufgetaucht, das aber gleich wieder schwächer wurde. Im Februar gab es dann den nächsten Helligkeitsausbruch und den hat auch das Hubble-Weltraumteleskop beobachtet. Mit diesen und den danach gewonnen Daten wissen wir heute, dass es sich bei V838 Monocerotis um einen Stern handelt, dessen Helligkeit in wenigen Tagen um das zehntausendfache stärker geworden ist. Für kurze Zeit war er das hellste Objekt in der ganzen Milchstraße. Es handelt sich um den selten Fall einer Leuchtkräftigen Roten Nova. Das sind Ereignisse, die nicht ganz so hell leuchten wie eine Supernova, also das höchst explosive Ende eines großen Sterns, aber doch heller sind, als die normalen Helligkeitsausbrüche, die manche Sterne zeigen. Bei V838 Monocerotis handelt es sich um einen Mergerburst, also um die Verschmelzung zweier Sterne, die zuvor ein Doppelsternsystem gebildet haben. Sie müssen sich schon von Anfang an ziemlich nahe gewesen sein. Ein Stern hat sich dann gegen Ende seines Lebens weit ausgedehnt, so weit, dass er den zweiten Stern regelrecht eingehüllt hat. Die Reibung zwischen den Atmosphärenschichten und dem zweiten Stern hat diesen abgebremst, bis es dann zur Kollision kommt.
Wirklich spannend ist aber ein Objekt, von dem wir bis zum Jahr 2009 nichts gewusst haben. Circa 490 Lichtjahre von der Erde entfernt befindet sich im Sternbild Einhorn ein Stern, der ein wenig kühler als unsere Sonne, ihr aber sonst vergleichsweise ähnlich ist. Bis dahin war er nur ein Eintrag in einem Sternkatalog unter hunderttausend anderen Einträgen. Im Jahr 2006 wurde dann aber das europäische Weltraumteleskop CoRoT gestartet. Die Abkürzung steht für Convection, Rotation et Transits planétaires, beziehungsweise Konvektion, Rotation und planetare Transits. Es sollte Sterne beobachten, um die Vorgänge in ihrer Atmosphäre zu analysieren und es sollte nach Planeten suchen, die diese Sterne umkreisen. Dabei hat es den Himmel nicht wahllos abgesucht, sondern sich auf zwei eng begrenzte Bereiche konzentriert. Eine war im Sternbild Schlange und eine im Sternbild Einhorn. Und genau dort ist CoRoT dann auch fündig geworden. Beim vorhin erwähnten Stern, der heute die Bezeichnung CoRoT-7 trägt, hat das Teleskop einen Planeten gefunden.
Damals hat man solche Exoplaneten vor allem mit einer Methode entdeckt, bei der man nur ihre Masse, aber nicht auch gleichzeitig ihre Größe bestimmten konnte. Und die Masse konnte man auch nur näherungsweise messen. Bei CoRoT war es umgekehrt: Hier hat man die Planeten gesucht, in dem man auf das Licht des Sterns geschaut hat. Wenn es in periodischen Abständen schwächer wird, ist das ein Anzeichen dafür, dass von uns aus gesehen ein Planet vor ihm vorüber zieht. Aus der Stärke des Lichtabfalls kann man die Größe des Planeten berechnen, aber man kennt seine Masse nicht. Aber, und das ist der Vorteil dieser Methode, wenn man weiß dass das ein Planet, kann man von der Erde aus mit Teleskopen hinschauen und mit der anderen Methode die Masse bestimmen und in diesem Fall nicht näherungsweise, sondern genau.
Beim Planeten von CoRoT 7 hat man so herausgefunden, dass er 1,7 mal größer als die Erde ist und 4,8 mal schwerer als unser Planet. Und das war revolutionär. Denn aus Größe und Masse kann man natürlich sofort die mittlere Dichte des Materials berechnen, aus dem der Planet besteht. Und dieser Planet musste definitiv ein fester Himmelskörper sein, mit einer festen Oberfläche, so wie die Erde. Und so einen Planeten hatte man bis zum damaligen Zeitpunkt noch nicht entdeckt. In den frühen Jahren der Planetensuche waren die Methoden nicht gut genug, um kleine, leichte Planeten zu finden. Alles was wir gefunden haben, war große Gasplaneten, wie Jupiter, Saturn, Uranus oder Neptun. Wir haben zwar sehr stark vermutet, dass es da draußen natürlich auch Planeten geben muss, wie die Erde, den Mars oder die Venus, also felsige Himmelskörper mit fester Oberfläche. Aber erst der Planet, der jetzt die Bezeichnung CoRoT-7b trägt, war der Beweis dafür, dass sie tatsächlich existieren.
Der Erde ähnlich ist CoRoT-7b aber nicht. Er ist seinen Stern sehr nahe und die Temperatur auf seiner Oberfläche beträgt circa 1000 Grad Celsius. Das ist so heiß, dass seine Atmosphäre aus Elementen besteht, die hier auf der Erde nur in fester Form vorkommen. Dort aber sind so quasi verdampft und deswegen gibt es dort eine Atmosphäre, in der unter anderem auch Magnesium, Aluminium, Kalzium oder Eisen gasförmig vorhanden sind. Gelangen diese Gase hoch hinauf in die Atmosphäre, wo es dann kühler wird, können sie kondensieren, so wie das Wasser in der Atmosphäre der Erde. Bei uns entsteht dann Eis, das in Form von Schnee oder Hagel zu Boden fällt. Dort bildet sich "Schnee" in Form von Eisen und Aluminium, in Verbindung mit den anderen Gasen, die es dort gibt. Oder anders gesagt: Dort regnet es Brocken aus Gestein und Metall.
CoRoT-7b ist eine Welt wie aus einem Fantasy-Film. Und im Sternbild Einhorn mehr als passend aufgehoben.
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