Sternengeschichten Folge 650: Albert Einstein, das CCD und die moderne Astrofotografie
Shownotes
Sternengeschichten Folge 650: Albert Einstein, das CCD und die moderne Astrofotografie
Im Jahr 1905 hat Albert Einstein über die Natur des Lichts nachgedacht. Im Jahr 1969 wollten ein kanadischer und ein amerikanischer Physiker einen besseren Computerspeicher entwickeln. Zusammen haben diese drei nicht nur drei Nobelpreise bekommen, sondern auch die Astronomie und bis heute unseren Alltag revolutioniert.
Die Geschichte beginnt aber in der Vergangenheit und zwar im Jahr 1839. Damals hat der französische Physiker Alexandre Edmond Becquerel festgestellt, dass zwischen zwei Elektroden eine elektrische Spannung entsteht, wenn eine davon mit Licht bestrahlt wird. Was da genau abgeht, konnte er allerdings nicht erklären. 1887 hat der deutsche Physiker Heinrich Hertz ein ähnliches Phänomen bei Experimenten mit ultravioletten Licht gefunden. Erstmals systematisch untersucht hat die Angelegenheit ab 1899 der deutsche Physiker Philipp Lenard. In seinen Experimenten hat er festgestellt, dass Licht tatsächlich Elektronen aus Metallen herauslösen kann.
Und das ist ja tatsächlich sehr erstaunlich: Man beleuchtet ein Stück Metall und aus dem Metall kommen Elektronen raus. Es entsteht ein elektrischer Strom, denn Strom ist ja nichts anderes als Elektronen, die sich bewegen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Elektronen aus dem Metall kommen; diese Elementarteilchen bilden ja die Hülle eines jeden Atoms. Da sind also genug vorhanden. Aber warum werden sie aus dem Metall gelöst, wenn Licht darauf fällt?
Eine erste Idee liegt nahe: Im Licht steckt ja Energie und wenn sich diese Energie vom Licht auf die Elektronen überträgt, dann können die sich mit Hilfe dieser Energie von der Bindung an den Atomkern lösen und sich frei bewegen. Das klingt logisch, aber die Experimente von Lenard haben noch mehr gezeigt. Nämlich dass die kinetische Energie der Elektronen unabhängig von der Intensität des Lichts ist. Was heißt das? Die kinetische Energie ist die Energie, die in der Bewegung des Elektrons steckt. Und eigentlich sollte man ja erwarten, dass die umso größer ist, je mehr Licht auf das Metall fällt. Mehr Licht überträgt mehr Energie auf die Elektronen und dann sollte auch mehr Energie in ihrer Bewegung stecken. Tut es aber nicht. Mehr Licht sorgt nur für mehr Elektronen, aber ihre Bewegungsenergie ändert sich nicht. Die hängt stattdessen von der Frequenz des Lichts ab, also von seiner Farbe.
Dieses Verhalten war damals ein großes Rätsel. Denn damals ging man davon aus, dass Licht eine elektromagnetische Welle ist. Und die Energie einer Welle hängt von ihrer Amplitude ab, also wie weit sie - vereinfacht gesagt - nach oben und nach unten schwingt. Und die Energie einer Welle hängt ganz explizit nicht von ihrer Frequenz ab, die ja angibt, wie oft die Welle in einem bestimmten Zeitraum auf und ab schwingt. Die Amplitude ist ein Maß für die Intensität des Lichts, die Frequenz für die Farbe. Eigentlich sollte man also erwarten, dass eine Lichtwelle mit hoher Intensität, also einer großen Amplitude und mehr Energie auch mehr Energie auf die Elektronen überträgt und es egal ist, welche Frequenz beziehungsweise Farbe sie hat. Die Experimente von Philipp Lenard haben aber genau das Gegenteil gezeigt.
Gelöst hat dieses Rätsel dann Albert Einstein. Er hat im Jahr 1905 einen Artikel veröffentlicht, mit dem Titel "Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt". Klingt etwas nichtssagend, aber dort schreibt Einstein folgenden revolutionären Satz: "Es scheint mir nun in der Tat, daß die Beobachtung über die […] Photolumineszenz, die Erzeugung von Kathodenstrahlen durch ultraviolettes Licht und andere die Erzeugung beziehungsweise Verwandlung des Lichtes betreffende Erscheinungsgruppen besser verständlich scheinen unter der Annahme, daß die Energie des Lichtes diskontinuierlich im Raume verteilt sei. Nach der hier ins Auge zu fassenden Annahme ist bei Ausbreitung eines von einem Punkte ausgehenden Lichtstrahls die Energie nicht kontinuierlich auf größer und größer werdende Räume verteilt, sondern es besteht dieselbe aus einer endlichen Zahl von in Raumpunkten lokalisierten Energiequanten, welche sich bewegen, ohne sich zu teilen und nur als Ganze absorbiert und erzeugt werden können."
Einstein sagt also, dass die Energie im Licht in kleinen Paketen steckt, die nicht weiter geteilt werden können. Er sagt im Wesentlichen: Licht besteht aus einzelnen Lichtquanten, also aus "Stücken" von Energie, die selbst nicht mehr kleiner werden können. Ok, wer sich in Wissenschaftsgeschichte auskennt, wird wissen, dass ein paar Jahre vorher, nämlich im Jahr 1900, der deutsche Physiker Max Planck die "Quantenhypothese" aufgestellt hat. Planck hatte festgestellt, dass man ein bestimmtes Verhalten von Licht nur dann korrekt beschreiben kann, wenn man davon ausgeht, dass die Energie im Licht nur in bestimmten, kleinstmöglichen Energiepaketen vorliegen kann, die er Quanten genannt hat. Planck hat das aber im Wesentlichen für einen Rechentrick gehalten und ist lange Zeit nicht davon ausgegangen, dass sich Licht wirklich so verhält.
Albert Einstein aber, und genau deswegen ist seine Arbeit so revolutionär, hat genau das behauptet. Er hat gesagt, dass Licht tatsächlich aus diesen Quanten besteht. Oder anders gesagt: Einstein hat die jahrhundertelang vorherrschende Meinung in Frage gestellt, dass Licht eine kontinuierliche Welle ist. Laut Einstein besteht Licht aus Lichtquanten, die wir heute Photonen nennen. Und die Energie eines Photons hängt von der Frequenz des Lichts ab, beziehungsweise der Farbe. Damit wird auch verständlich, was Lenard in seinen Experimenten gemessen hat. Damit man ein Elektron aus dem Metall herauslösen kann, braucht es eine gewisse Mindestenergie. Man muss also Licht mit der richtigen Frequenz nutzen, damit das geht, denn nur dann haben die Quanten auch die korrekte Energie. Denn das Elektron kann nicht beliebig viel Energie mit dem Licht austauschen. Entweder die Energie im Lichtquant ist groß genug - dann wird das Elektron frei. Oder sie ist nicht groß genug und dann passiert gar nichts. Und dann hilft es auch nichts, wenn man die Lichtintensität erhöht und immer mehr und mehr Quanten auf das Elektron einprasseln. Es kann die Quanten nicht "sammeln" bis es genug davon hat.
Einsteins theoretische Erklärung des Phänomens, das wir heute den "photoelektrischen Effekt" nennen, hat sehr gut funktioniert. Trotzdem haben viele gezögert, sie anzuerkennen. Denn man wollte sich nicht von der Vorstellung von Licht als Welle lösen; Licht, das aus "Teilchen" besteht, war den meisten zu revolutionär. Heute wissen wir, dass Licht weder eine Welle, noch ein Teilchen ist sondern eine Auswirkung von Quantenfeldern, wie ich in Folge 247 ausführlich erklärt habe. Aber damals gab es ja quasi noch keine Quantentheorie im modernen Sinn. Die hat erst mit der Arbeit von Max Planck und so richtig erst mit dieser Arbeit von Albert Einstein begonnen. Und deswegen haben die beiden auch zu Recht den Physik-Nobelpreis dafür bekommen. Sie mussten zwar ein bisschen warten, bis sich die Quantenmechanik in der Wissenschaft durchgesetzt hat. Planck hat ihn 1918 bekommen und Albert Einstein erst im Jahr 1921. Aber besser spät, als gar nicht (und es lohnt sich vielleicht auch noch mal extra darauf hinzuweisen, das Einstein seinen Nobelpreis eben tatsächlich für seine Arbeit zur Quantenmechanik bekommen hat, nicht für die Entwicklung der Relativitätstheorie, für die er in der Öffentlichkeit viel bekannter ist).
Albert Einstein war ein theoretischer Physiker der die Natur verstehen wollte. Willard Boyle und George Smith waren ebenfalls Physiker, aber eher an Anwendungen orientiert. Im Jahr 1969 haben beide in den Bell Labs gearbeitet, der Forschungsabteilung der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T. Willard Boyle war damals Chef der Abteilung für Halbleiterforschung und Smith sein Mitarbeiter. Damals hat man sich intensiv mit Magnetblasenspeicher beschäftigt, einer frühen Form um auf Computern Daten zu speichern. Die Bell Labs wollten Forschungsgelder von der Abteilung für Halbleiter abziehen, es sei denn, sie wären in der Lage, selbst eine ausreichend gute Speichertechnologie auf anderer Basis zu entwickeln. Also setzten sich Boyle und Smith hin und erfanden, im Wesentlichen im Laufe eines Nachmittags, das, was wir heute CCD nennen. Die Details so eines charge-coupled device sind dennoch komplex. Aber im Prinzip funktioniert dieses Ding ganz einfach.
Man kann es sich als zweidimensionales Gitter vorstellen. An jedem Gitterpunkt sitzt ein elektronisches Bauteil, das Elektronen speichern kann. Je nachdem, wie viele es sind, sitzt also in jedem Gitterpunkt eine unterschiedlich große elektrische Ladung. Mit diesen Ladungen kann man Informationen speichern und genau das wollten Boyle und Smith ja haben. Man könnte jetzt mit irgendeinem passenden Messinstrument Gitterpunkt für Gitterpunkt durchgehen und so Stück für Stück die Ladung und damit den Speicher auslesen. Aber das wäre mühsam, und es geht auch einfacher. Man kann - und ich gehe auch hier jetzt nicht auf die technischen Details ein - die Ladungen einfach von Gitterpunkt zu Gitterpunkt verschieben. Dann fällt - sehr vereinfacht gesagt - am Ende des Gitters zuerst die Ladung aus dem ersten Gitterpunkt der entsprechenden Reihe raus und kann gemessen werden. Dann schiebt man weiter und es kommt die Ladung aus dem nächsten Gitterpunkt, und so weiter. Das geht viel schneller und am Ende kann man aus so einem Ding eine elektrische Spannung auslesen, die sich verändert, je nachdem wie viele Elektronen in den Gitterpunkten waren.
Boyle und Smith ist aber sehr schnell klar geworden, dass man so ein Konzept nicht nur als simplen Speicher verwenden kann. Man kann an jeden Gitterpunkt auch ein Bauteil setzen, das Licht in elektrischen Strom umwandeln kann. Und wie macht dieses Bauteil das? Durch den photoelektrischen Effekt, den Albert Einstein mehr als 60 Jahre vorher als erster erklären konnte. Diese Bauteile nennt man Fotodioden und die waren damals schon erfunden. Aber man konnte sie eben nur erfinden, weil Jahrzehnte vorher Albert Einstein den photoelektrischen Effekt erklärt hat!
Zusammengefasst hatten Boyle und Smith nun also ein Gerät, bei dem Licht auf einen zweidimensionalen Sensor fällt. Je nach Intensität des Lichts sammeln sich in den Gitterpunkten unterschiedlich starke Ladungen an und die können elektronisch so ausgelesen werden, um das danach entsprechend rekonstruieren zu können. Das, was vorher analog war - also die Information darüber, wie viel Licht an bestimmten Stellen des Sensors auftritt, war jetzt digital verfügbar. Und das war auf eine andere Art wie bei Einstein aber ebenso eine Revolution!
Bis dahin hat man Bilder chemisch gespeichert. Man hat Platten oder Filmstreifen mit passenden Chemikalien bestrichen, die unterschiedlich stark auf Licht reagieren, je nach der Intensität des Lichts. Diese Fotografie ist natürlich selbst eine revolutionäre Erfindung, aber mit dem charge-coupled-device ist die Fotografie digital geworden. Es hat ein bisschen gedauert, bis die Technik so weit ausgereift war, um der klassischen analogen Fotografie ernsthaft Konkurrenz zu machen. Man braucht dafür ja zum Beispiel entsprechend große Sensoren um ein ausreichend großes Bildfeld zu haben. Und dann sind da noch jede Menge andere kleinere und größere praktische Probleme. Aber das Militär war zum Beispiel sehr schnell begeistert davon. Mit CCD-Technik kann man wunderbar Satelliten bestücken und digitale Bilder der Erde aus dem All machen. Bilder, die nicht erst entwickelt werden müssen sondern direkt elektronisch zur Erde übertragen werden können. Das ist ideal für Spionagesatelliten und deswegen hat das Militär die Entwicklung der CCDs auch massiv gefördert. Ab den 1980er Jahren ist die Technik aber auch langsam in die zivilen Bereiche gekommen. In der Astronomie hat man immer öfter mit CCD-Kameras gearbeitet und auch die Digitalkameras für den privaten Gebrauch habe sich entwickelt.
Heute ist die CCD-Kamera aus der Astronomie nicht mehr wegzudenken. Es gibt, außer im Hobby-Bereich, keine analoge Astrofotografie mehr. Alles funktioniert digital. Bei den Digitalkameras haben sich mittlerweile Techniken entwickelt, die ein bisschen anders funktionieren als die klassischen CCDs, aber die Arbeit von Boyle und Smith hat die Welt und die Wissenschaft dennoch bis heute maßgeblich beeinflusst und die beiden sind dafür zu Recht im Jahr 2009 mit den Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden.
Was mit Albert Einstein angefangen hat, ist heute aber längst noch nicht zu Ende. Es gibt noch jede Menge die wir nicht verstehen, wenn es um die Lichtquanten geht. Es lohnt sich, auch heute noch über das Licht nachzudenken. Was dabei herauskommt, lässt sich schwer vorhersagen. Aber sicher ist: Am Ende wird es uns alle beeinflussen.
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