Mastodon

Sternengeschichten Folge 566: Ist das Universum eine Simulation?

Shownotes

Sternengeschichten Folge 566: Ist das Universum eine Simulation?

„Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist."

Das hat vor gut 2300 Jahren der chinesische Philosoph und Dichter Zhuāngzǐ geschrieben. Er war sicherlich nicht der erste Mensch, der sich darüber Gedanken gemacht hat, was die eigentliche Natur der Realität ist; diese Frage hat man sich in der Philosophie, der Kunst, der Literatur, der Religion, und so weiter immer wieder gestellt und tut das bis heute. Mittlerweile ist allerdings auch die Naturwissenschaft dazu gekommen und stellt die Frage, ob unser gesamtes Universum vielleicht eine Simulation ist.

Spätestens seit dem Kinofilm "Matrix" aus dem Jahr 1999 können so gut wie alle etwas mit dieser doch etwas seltsamen Idee anfangen. Im Film geht es ja darum, dass die Maschinen die Welt beherrschen und die Menschen in großen Lagern gefangen gehalten werden, ohne Bewusstsein. Ihnen wird allerdings eine künstliche Realität vorgespielt; sie leben ein Leben, dass ihnen völlig normal erscheint, obwohl es nur eine riesige Simulation ist.

Dass die Science Fiction so etwas aufgreift, ist nicht überraschend (und "Matrix" war auch nicht das erste Werk, in dem es um dieses Thema ging). Wenn aber die seriöse Wissenschaft auch darüber nachdenkt, ob alles was wir als "real" wahrnehmen vielleicht nur eine Simulation ist, dann sieht das schon ein wenig anders aus.

Schauen wir also mal, was das alles soll mit der Simulation des Universums. Die Grundidee geht ungefähr so: Unsere Computertechnik macht immer größere Fortschritte. Wenn wir unsere heutige Technik mit dem vergleichen, was vor ein paar Jahrzehnten möglich war, dann ist der Unterschied enorm. Und wer weiß, wie es in ein paar Jahrhunderten oder Jahrtausenden sein wird? Vielleicht sind wir dann in der Lage, eine so exakte Simulation der Welt in einem Computer zu erstellen, dass sie nicht von der Realität zu unterscheiden ist? Vielleicht können wir ja auch ein menschliches Bewusstsein so exakt simulieren, dass es nicht von einem echten Bewusstsein zu unterscheiden ist. Auch die Entwicklung künstlicher Intelligenz macht ja immer größere Fortschritte. Vielleicht sind wir also irgendwann in der Lage, Millionen, Milliarden oder noch viel mehr simulierte Menschen in einer simulierten Welt zu erschaffen, die dort ihr simuliertes Leben leben ohne zu merken, dass es nur eine Simulation ist.

Und wenn das alles so sein könnte: Was spricht dann dagegen, dass das nicht alles längst schon passiert ist und WIR die simulierten Menschen in der simulierten Welt sind? Die moderne Version dieser "Simulationshypothese" stammt vom schwedischen Philosophen Nick Bostrom, der 2003 den Artikel "Are you living in a computer simulation?" veröffentlicht hat. Er geht darin von drei Annahmen aus, und behauptet, dass sie alle mehr oder weniger gleich wahrscheinlich beziehungsweise unwahrscheinlich sind, und mindestens eine davon wahr sein muss. Diese drei Annahmen lauten so:

1) Wir Menschen schaffen es nicht, uns so weit zu entwickeln, um die nötige Technik zu erreichen, eine entsprechende Simulation durchzuführen. 2) Wenn es Zivilisationen gibt, die technisch in der Lage sind, solche Simulationen durchzuführen, dann hat so gut wie keine davon auch ein Interesse daran, die Simulation auch praktisch durchzuführen.

Und 3) Wir leben in einer Computersimulation.

Man kann noch nachvollziehen, dass zumindest eine der Möglichkeiten zutreffen muss. Entweder wir leben in einer Simulation, das ist Variante 3. Oder es gibt niemanden, der in der Lage ist oder Lust dazu hat, eine Simulation durchzuführen. Das sind Varianten 1 und 2.

Wir können aber nicht entscheiden, welche der drei Möglichkeiten zutrifft. Bostrom meint, wir könnten hoffen, dass Variante 3 richtig ist, denn das würde es unwahrscheinlicher machen, dass Variante 1 zutrifft, dass wir uns also irgendwann in Zukunft selbst auslöschen, bevor wir in der Lage sind, eine technisch hochstehende Zivilisation zu errichten.

Das klingt jetzt alles noch nicht sonderlich naturwissenschaftlich. Man kann aber zumindest mal überlegen, wie wahrscheinlich Varianten 1 und 2 sind. Gibt es etwas, dass rein prinzipiell dagegen spricht, dass wir die technischen Fertigkeiten entwickeln, eine Computersimulation zu entwickeln, die ein Universum simulieren kann? Die Anhänger der Simulationshypothese sagen "Nein". Denn, so das Argument, wenn wir uns anschauen, wie sich die Rechenleistung der Computer im Laufe der Zeit entwickelt hat, sehen wir ein stetiges Wachstum. Und es spricht nichts dagegen, dass das auch in Zukunft so weiter geht. Das mag sein, aber es gibt tatsächlich keinen Beleg dafür, dass es WIRKLICH immer so weiter geht. Vor allem, und das ist der wichtigste Punkt, wissen wir nicht, wie wir ein echtes "künstliches" Bewusstsein schaffen können. Wir können das jetzt jedenfalls definitiv nicht. Gut, vielleicht kriegt es jemand in der Zukunft hin. Vielleicht aber auch nicht. Wir wissen derzeit noch nicht einmal, wie ein Bewusstsein im Gehirn überhaupt entsteht. Und deswegen können wir auch nicht wissen, ob das ein Vorgang ist, der sich maschinell reproduzieren lässt. Oder, wenn sich so etwas irgendwie machen lässt, ob das was, das dabei entsteht, mit dem vergleichbar ist, was wir "Bewusstsein" nennen. Und weil wir das nicht wissen, können wir auch nicht sagen, ob die Simulationshypothese überhaupt funktioniert.

Das muss man vielleicht noch einmal wiederholen, weil wir dazu neigen, es zu vergessen, angesichts all der Entwicklungen in der Computertechnik, bei der künstlichen Intelligenz, und so weiter. Wir wissen nicht, wie das Bewusstsein funktioniert. Wir können zwar daran glauben, dass zukünftige Technik in der Lage ist, ein Bewusstsein zu simulieren. Aber wir können es nicht wissen. Das liegt nicht nur daran, dass uns das notwendige medizinische Wissen über das Gehirn und so weiter fehlt. Wir wissen zum Beispiel auch noch zu wenig über die Grundlagen der Quantenmechanik, den fundamentalen Aufbau der Materie; wir wissen nicht, ob die Elementarteilchen in Wahrheit aus irgendwas anderem bestehen, den Strings der Stringtheorie, und so weiter. Das müssen wir aber wissen, weil all das eine Rolle spielt, wenn wir auch das Bewusstsein fundamental verstehen wollen und auch, wenn wir Computer bauen wollen, die ausreichend viel Rechenleistung haben für so eine Simulation. Mit konventionellen Geräten ist das mit Sicherheit nicht möglich; wenn, dann braucht man irgendeine Weiterentwicklung von Quantencomputern, die auf völlig anderen Prinzipien beruhen.

Aber lassen wir all das mal beiseite. Und behaupten einfach "Wir leben in einer Simulation". Was hätte das für Konsequenzen? Können wir das zum Beispiel irgendwie feststellen? Auch das ist knifflig. Wenn wir simuliert sind, dann kann man uns ja auch so simulieren, dass wir nicht in der Lage sind, die Simulation zu erkennen. Aber trotzdem hat sich die Wissenschaft auch damit beschäftigt. Die Details würden jetzt zu weit führen, aber es gibt bestimmte quantenmechanische Experimente, die zumindest theoretisch in der Lage wäre, eine Simulation zu erkennen. Sie beruhen auf einem Effekt, den man auch von den Computerspielen kennt, die wir jetzt benutzen: Da wird nie die komplette Welt simuliert, sondern nur der Teil, der gerade relevant ist und unter Beobachtung steht. Und weil es in der Quantenmechanik ja durchaus darauf ankommt, ob ein Vorgang beobachtet wird oder nicht, kann man daraus entsprechende Experimente konstruieren, die uns sagen könnten ob wir in einer Simulation leben oder nicht. Aber solche Experimente sind in der Praxis kaum umzusetzen und am Ende stehen wir wieder vor dem Problem, dass wir 1) nicht wissen, ob wir die Quantenmechanik gut genug verstehen, um solche Aussagen machen zu können und wir 2) nicht wissen, ob die Simulation nicht ganz anders läuft als wir uns jetzt vorstellen, wie so eine Simulation laufen könnte.

Und 3) ist es vielleicht keine gute Idee, die Existenz der Simulation nachzuweisen. Denn wer weiß, ob es denen, die die Simulation laufen lassen, gefällt, dass wir das tun. Vielleicht drehen sie den Computer auch einfach ab, wenn wir drauf kommen, dass es die Simulation gibt? Die hypothetischen Simulierer könnten aber übrigens in einer ähnlichen Situation sein. Denn WENN wir nur simuliert sind, wäre es seltsam, wenn wir die einzigen wären. Wir denken ja auch darüber nach, wie wir eine Welt simulieren können. Und wenn wir es können, dann tun wir es vermutlich auch. Und wenn es solche Simulationen tatsächlich gibt, dann spricht zumindest theoretisch nichts dagegen, dass eine simulierte Welt selbst wieder eine Welt simuliert. Und so weiter. Wenn es möglich ist, ein Universum zu simulieren, dann sind vermutlich die überwiegende Mehrheit der existierenden Bewusstseine simuliert und nur eine Minderheit davon ist echt.

Am Ende ist die Sache mit dem simulierten Universum aber vor allem nur eine interessante Idee, über die man durchaus nachdenken kann. Aber auch wenn es eine interessante Idee ist, auch wenn es spannend ist, sich das vorzustellen und sich mit den Science-Fiction-Geschichten zu beschäftigen, die das getan haben: Es gibt keine wissenschaftlich seriösen Argumente, aus denen man ableiten könnte, dass es wahrscheinlich ist, dass wir in einer Simulation leben. Die philosophische Gedanken über die Natur der Realität in eine naturwissenschaftliche Hypothese umdeuten zu wollen, nach der das Universum ein Computerprogramm ist und wir nur Simulationen sind: Das ist eigentlich schon nah an der Pseudowissenschaft. Aber gut, es kann natürlich sein, dass da nur die Simulation aus mir spricht…

Kommentare (4)

DINmartin

Der Film "Welt am Draht" nahm das Thema weit vor "Matrix" auf: 1973!

Markus

Vielen Dank für die treue Unterhaltung auf meinem Arbeitsweg! :-) Ein sehr passender Science Fiction zu dem Thema ist „The 13th Floor (Bist du was du denkst?)“. Einer meiner liebsten Filme und auch ein guter Tipp für Science Frames? Grüße Markus

Udo Heinz Ilsemann De lima

Scheiß auf Matrix Ich liebe das natürliche echte wahre Leben mit viel Licht und Liebe mit Berührungen und Küssen ein sofortiger Stopp der künstlichen Intelligenz Hoch zum Licht und Wärme des Universum

Andudi

wäre so eine simulierte Welt nicht perfekt(er)... oder zumindest einfacher ergründbar?

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.