Sternengeschichten Folge 520: Der tote Diamantenstern
Shownotes
Sternengeschichten Folge 520: Der tote Diamantenstern
In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um BPM 37093. Oder V886 Centauri. Beide Bezeichnungen gehören zum selben Himmelskörper, einem ungefähr 50 Lichtjahre entfernten weißen Zwerg, den wir am Himmel im Sternbild Zentaur sehen können. Allerdings nur mit einem guten Teleskope, für die Beobachtung mit bloßem Auge ist sein Licht viel zu schwach. Und trotz der eher unspektakulären Bezeichnung handelt es sich um ein höchst spektakuläres Objekt. BPM 37093 ist ein gigantischer Kristall aus Kohlenstoff.
Aber fangen wir am Anfang an, der in diesem Fall das Ende ist. Nämlich das Ende eines Sterns wie unserer Sonne. Also kein winziger Zwergstern und auch kein massereicher Riesenstern. Sondern ein ganz normaler, mittelmäßiger Stern der das tut, was Sterne eben so tun, nämlich Wasserstoff zu Helium zu fusionieren. Das passiert im Kern des Sterns, wo es heiß genug dafür ist und nur so lange, so lange es dort noch ausreichend Wasserstoff gibt. Bei unserer Sonne reicht der Vorrat noch gut 5 bis 6 Milliarden Jahre, aber irgendwann ist Ende. Das war auch beim Vorläuferstern von BPM 37093 der Fall - ist aber noch nicht das Ende des Sterns. Ich habe das ja schon in vielen Folgen erzählt: Zuerst wird die Fusion immer schwächer und damit sinkt auch die Menge an Strahlung die aus dem Kern des Sterns nach außen dringt. Diese Strahlung ist aber die Gegenkraft zur Gravitation, die ständig bestrebt ist, den Stern in sich zusammenfallen zu lassen. Und genau das passiert jetzt und dadurch wird es im Kern noch heißer; so heiß, dass nun auch das Helium fusioniert werden kann und zwar zu Elementen wie Sauerstoff und Kohlenstoff. Wenn dann auch das Helium verbraucht ist - was viel schneller geht, weil von Anfang an weniger davon da ist - kommt es auf die Masse des Sterns an. Sie bestimmt, wie stark der Druck auf den Kern werden kann und damit die Temperatur, die dort herrschen kann. Und die bestimmt, welche Elemente noch miteinander fusionieren können. Massereiche Sterne können in der Endphase ihres Lebens auch noch Sauerstoff und Kohlenstoff fusionieren und diverse andere Atome. Sterne wie unsere Sonne aber nicht. Das heißt, dass nun die Fusion zum Erliegen kommt. Davor hat der Stern außerdem schon seine äußeren Gasschichten hinaus ins All gepustet. Da die Heliumfusion bei höheren Temperaturen abläuft, steigt auch die Menge an Strahlung, die nach außen dringt. Der Stern bläht sich auf und die äußersten Gasschichten lösen sich quasi ab und entkommen ins All. Übrig bleibt dann am Ende nur noch der Kern des Sterns, in dem keine Fusion mehr stattfindet und der deswegen unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammen fällt. Die Materie im Kern wird enorm verdichtet und das, was dabei entsteht, nennt man einen Weißen Zwerg: Ein Himmelskörper der ungefährt die Masse der Sonne hat, aber nur noch so groß ist wie die Erde. Er ist immer noch heiß und leuchtet deswegen auch. Er erzeugt aber keine Strahlung durch Kernfusion mehr.
Genau so ist auch BPM 37093 entstanden. Dieser weiße Zwerg gehört aber zur speziellen Klasse der ZZ-Ceti-Sterne. Das sind weiße Zwerge, die pulsieren und dadurch ihre Helligkeit periodisch ändern. Ich habe über die verschiedenen Arten der veränderlichen Sterne ja schon in den Folgen 64 und 65 der Sternengeschichten gesprochen und in Folge 144 ein wenig im Detail über die Mechanismen, die die Helligkeitsänderung verursacht haben. Das will ich jetzt nicht alles wiederholen - aber es ist in bestimmten Fällen möglich, dass auch weiße Zwerge pulsieren. Um den Kern aus Kohlenstoff und Sauerstoff herum gibt es ja auch dort noch eine Art "Atmosphäre" aus Wasserstoff und Helium. Es wurde bei der Kernfusion ja nicht der gesamte Wasserstoff verbraucht; nur der Teil, der weit genug innen im Stern lag, wo es heiß genug war. Die äußeren Schichten blieben übrig und die werden auch nicht komplett hinaus ins All gepustet. Und in den übrig gebliebenen Schichten können die gleichen Prozesse ablaufen, die auch in normalen Sternen für periodische Helligkeitsänderungen sorgen.
Das ist durchaus interessant! Denn in Folge 164 der Sternengeschichten habe ich ja von der Asteroseismologie berichtet. Also der astronomischen Technik, bei der man aus den Helligkeitsveränderungen auf die Art der Schwingungen schließen kann, die das Material des Sterns ausführt, um die Helligkeitsänderungen zu verursachen. Und weiß man, wie der Stern schwingt, dann kann man - wie bei der Seismologie in der irdischen Geologie - auf das Innere des Sterns schließen. Das geht auch bei weißen Zwergen und noch dazu ist BPM 37093 ein weißer Zwerg, der genau die richtigen Eigenschaften hat, um eine Theorie zu überprüfen, die in der Astronomie schon seit den 1960er Jahren existiert. Es geht um die "Kristallisationstheorie" und die besagt, dass die Kerne von weißen Zwergen irgendwann kristallisieren. Denn dort findet ja, wie schon gesagt, keine Kernfusion mehr statt. Das ganze Zeug liegt einfach nur noch rum und kühlt ab. Irgendwann sollte das Material dann in einen festen, kristallinen Zustand übergehen. Herauszufinden ob und wenn ja, wie das genau passiert, ist wichtig. Denn wenn ein Material, das zuerst flüssig war, wieder fest wird, dann wird dabei die sogenannte "Kristallisationswärme" frei. Simpel gesagt: Um einen festen Stoff zu schmelzen, also ihn flüssig zu machen, muss man ihm Energie zuführen. Und die verschwindet nicht einfach. Wenn der Stoff dann wieder fest wird, wird genau diese Energie wieder frei. Das ist wichtig, denn das beeinflusst die Art und Weise, wie wir das Alter von weißen Zwergen bestimmen. Das tun wir, vereinfacht gesagt, durch eine Bestimmung seiner Temperatur. Je kühler, desto älter muss er sein. Und das Alter der weißen Zwerge sagt uns viel über die Entwicklung unserer Galaxie, darüber wann wo wie viele Sterne entstehen und wieder aufhören, Sterne zu sein. Wenn jetzt aber der Kern eines weißen Zwergs kristallisiert und dabei Wärme frei wird, dann verfälscht das die Statistik. Dann denken wir, der weiße Zwerg wäre jünger als er tatsächlich ist. Dabei ist er einfach nur ein wenig langsamer abgekühlt als er es ohne die Kristallisationswärme getan hätte.
Wie findet man nun aber raus, ob ein weißer Zwerg innen drin fest ist oder nicht? Genau das sagt uns die Asteroseismologie. Je nach dem wie viel des weißen Zwergs fest geworden ist und wie genau die Struktur der Kristalle aussieht, kann er auf bestimmte Weisen schwingen bzw. nicht schwingen. Oder anders gesagt: Bestimmte Schwingungen im Sternmaterial können sich nicht ausbreiten, wenn der Kern kristallisiert ist. Die Theorie dazu gab es, wie gesagt, seit den 1960er Jahren. Aber erst als man 1992 herausfand, dass BPM 37093 ein veränderlicher weißer Zwerg ist, hatte man ein passendes Objekt, um das auch zu überprüfen. Dazu muss man aber seine Helligkeitsschwankungen messen und das so genau wie möglich. Die Schwankungen der Helligkeit sind winzig und bewegen sich im Bereich von ein paar Promille der Helligkeit. Vor allem aber muss man die Helligkeit kontinuierlich messen und das ist schwierig. Denn selbst wenn man eine perfekte, sternenklare Nacht hat, dann muss man spätestens bei Sonnenaufgang mit den Messungen aufhören. Genau für solche Fälle wurde 1988 das "Whole Earth Telescope" gegründet. Dieses Teleskop ist natürlich nicht so groß wie die ganze Erde, aber es besteht aus einem Netzwerk von Teleskopen, die überall auf der Erde verteilt sind und zwar so, dass immer gerade irgendwo Nacht ist. Wenn die alle koordiniert arbeiten, kann man einen Stern rund um die Uhr beobachten. Mittlerweile kann man sowas natürlich auch mit Weltraumteleskopen machen, aber die sind sehr teuer und damals gab es noch kein Teleskop im Weltall, das explizit mit Messungen von Helligkeitsschwankungen beschäftigt war.
Mit dem Verbund des Whole Earth Telescope ist es im Jahr 2004 auf jeden Fall gelungen, BPM 37093 so genau zu beobachten, dass man seine innere Struktur analysieren konnte. Das Ergebnis: Circa 90 Prozent seiner Masse sind kristallisiert. Andere Arbeiten, die später durchgeführt wurden, kommen zu dem Schluss, dass die kristallisierte Masse zwischen 32 und 82 Prozent der Gesamtmasse liegen muss. So oder so war auf jeden Fall klar: Der Kern eines weißen Zwergs wird tatsächlich irgendwann zu einem Kristall. Und zweitens: Bei BPM 37093 liegt der kristalline Anteil ziemlich hoch.
Aber was heißt das eigentlich: Kristall? Wir stellen uns da immer irgendwas hübsch funkelndes vor. In der Physik wird damit aber ganz allgemein ein Festkörper bezeichnet, dessen Atome oder Moleküle regelmäßig angeordnet sind. Jede Kristallstruktur hat eine Basis, also eine bestimmte Anordnung der Atome, die sich dann periodisch im dreidimensionalen Raum wiederholt. Salz und Zucker sind zum Beispiel Kristalle. Und es gibt viele verschiedene Arten, wie eine Kristallstruktur aufgebaut sein kann. Eine davon ist die sogenannte "Diamantstruktur" die man - wenig überraschend - bei Diamanten das erste Mal beschrieben hat. Die Details würden jetzt zu weit gehen, aber es geht dabei um acht Kohlenstoffatome (ein Diamant besteht ja aus Kohlenstoff), die auf bestimmte Art angeordnet sind.
Was heißt das jetzt für BPM 37093? Wir haben einen weißen Zwerg, dessen Kern aus Kohlenstoff und Sauerstoff besteht und zu einem großen Teil kristallisiert ist. Ein Kristall aus Kohlenstoff! Also ein Diamant? Na ja, das ist natürlich verlockend es so zu sehen. Aber man weiß nicht genau, wie die Kristallstruktur dort aussieht. Vermutlich ist sie der Struktur von Diamant zumindest sehr ähnlich. Und man kann BPM 37093 mit gewisser Berechtigung als gigantischen, planetengroßen Diamanten bezeichnen. Darf sich aber dann nicht eines der funkelnden Dinger vorstellen, die wir hier auf der Erde in den Juweliersläden für viel Geld verkaufen.
Faszinierend ist die Sache auf jeden Fall! Vor allem, weil das was für BPM 37093 gilt, ja auch für andere weiße Zwerge gilt. Die haben wir bis jetzt nur noch nicht so gut beobachten können, um das festzustellen. Und auch unsere Sonne wird ihr Leben in ein paar Milliarden Jahren als weißer Zwerg beenden. Und dann ebenfalls anfangen, zu kristallisieren. Die Erde wird dann zwar schon lange kein Leben mehr beherbergen können und vielleicht sogar in den Endphasen des Sonnenlebens zerstört worden sein. Aber es ist trotzdem irgendwie schön zu wissen, dass am Ende nicht einfach nur ein toter Stern übrig bleibt, sondern ein gigantischer Diamant.
Florian Freistetter
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‧Florian Freistetter
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